Lange bevor das Phänomen der Reproduktion, des Reproduktionsverhaltens und der Demographie Einzug in die Populärwissenschaft und populärwissenschaftliche, journalistische oder prosaische Publikationen erhielt – beispielhaft für den deutschsprachigen Raum sei hier das Werk des FAZ-Vorstands Frank Schirrmacher, Das Methusalem-Komplott, genannt – war es unter Fachleuten bekannt.
In diesem konvoluten Werk wird unterstrichen, wie wichtig, aber auch differenziert Reproduktion und Fertilität zu betrachten sind. Es zielt im Sinne von Lösungen oder Leitlinien auf ergebnishaften Erfolg. HIV, andere Viren, Fieber und so manche Krankheiten werden hier in die Analysen miteinbezogen, doch man darf froh sein, dass dies – und auch die sexuell-reproduktive Unlust in den entwickelten Ländern – nicht die Hauptmerkmale dieser Arbeit sind. Indes, all diese Krankheiten in der zweiten, dritten und vierten Welt, und die Unlust zum Kinderkriegen in der ersten, verhindern Steuerung, Entgegenwirken und Balance für eine jeweils nationale Population und deren Auskommen.
Eingeleitet wird das Werk von den Herausgeberinnen, die einen Blick auf die themenbezogene neue Weltordnung werfen. Die Politik der Geburtenkontrolle wird am Beispiel Chinas (A Surfeit of Bodies …), Afrikas (Modern Bodies, Modern Minds: Midwifery and Reproductive Change …) und Nord-Kanadas (Sex Determination and the Inuit Struggle for Birthing Rights) untersucht. Im Bereich Stratifizierte Reproduktion liegen vier Untersuchungen aus den USA vor (Stratified Reproduction and West Indian Childcare Workers and Employers in New York; The Politics of Lesbian Motherhood; Households Headed by Women; Early Childbearing).
Ein neues Denken zur Sozialpolitik im Kontext demographischer Entwicklung propagieren die Untersuchungen zu Ägypten (Deadly Reproduction among Egyptian Women: Maternal Mortality …), Sizilien (Coitus Interruptus and Family Respectability in Catholic Europe: A Sicilian Case Study) und Nigeria (Women’s Reproductive Practices and Biomedicine …). In Teil vier dieses Buches werden die soziokulturelle Heterogenität und sich daraus ergebende Konsequenzen im Hinblick auf die regionale Bevölkerungsentwicklung im Indien der 1940er und 1950er Jahre (National Honor and Practical Kinship …), Rumänien unter Ceausescu (The Banning of Abortion …), in Norwegen nach der atomaren Katastrophe von Tschernobyl (Physical and Cultural Reproduction in a Post-Chernobyl Norwegian Sami Community) und die demographischen Entwicklungen durch die Verbreitung des HIV-Virus (Blurring Categories, Shifting Positions) dargestellt.
Teil fünf befasst sich mit Reproduktionstechnologien und -techniken (The Politics of Contraceptive Research in Brazil; Postmodern Procreation: A Culural Account of Assisted Reproduction), Pränataler Diagnostik (The Normalization of Prenatal Diagnostic Screening) und den Auswirkungen von Reproduktionstechnologien auf das Patriarchat (Displacing Knowledge: …). Im sechsten und letzten Teil erfolgt eine Abhandlung zu Bevölkerungspolitiken und ihren Einbettungen in die Zeit zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert (Interrogating the Concept of Reproduction in the Eighteenth Century; The Body as Property: A Feminist Re-vision; Reassessing Reproduction in Social Theory; und Misreading Darwin on Reproduction …).
Faye D. Ginsburg, Rayna Rapp (Hg.): Conceiving the New World Order – The Global Politics of Reproduction. 454 S., University of California Press, Berkeley, Ca., USA, 1995

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