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Amflora-Kartoffeln | Pressefoto / BASF
GENTECHNIK | KARTOFFELN

Knollengemüse Amflora als Testballon

Mit der Zulassung der Amflora genannten Gen-Kartoffel erweist sich die EU-Kommission einmal mehr als Steigbügelhalter der Bio- und Gentechnologie-Konzerne 
Von MAIK MENSING |
Lesedauer ca. 4-5 Minuten |
04.03.2010

Jeder, der sich noch an Omas selbstangerührte Kartoffelstärke erinnert, in die Unterröcke, Hemdkrägen- und manschetten getaucht wurden, oder an Mutters Sprühstärke, die vor dem Bügeln auf die zu stärkenden Kleidungsstücke aufgetragen wurde, weiß, wie wichtig Stärke als Verbrauchsmittel ist und lernte die Vielseitigkeit der Kartoffel auch dadurch kennen. Auch in der Zellstoff- und Papierindustrie wurde die Erpel stets geschätzt. Das war in einer Zeit, als von Gen- und Biotechnologie bestenfalls in Schience-Fiktion-Romanen die Rede gewesen war.

Der nachwachsende Rohstoff Kartoffel, der mühselig anzubauen und zu ernten ist und in westlichen Ländern – vor allem in Europa und den USA – als Grundnahrungsmittel gilt, war schon lange ins Visier der Bio- und Gentechnologie geraten. Trieben die meisten Sorten vor wenigen Jahren vor dem Verschimmeln noch Wurzelkeime aus, wenn sie zu lange gelagert wurden, so verfaulen sie heute, ohne zuvor Wurzelkeime auszutreiben. Der vorläufige Höhepunkt der gentechnologisch angeschobenen Metamorphose der Kartoffel ist die Amflora, die in den vergangenen Jahren vom deutschen Chemi-Multi BASF entwickelt wurde und als ein optimierter Rohstoff für die Stärke-, Zellstoff- und Papierindustrie geeignet sein soll. Die Kartoffelstärke gibt dem Papier Straffheit und bewirkt erst, dass sich in Nach-Gutenberg-Zeiten darauf schreiben, malen und drucken lässt. Das viele Drucker-, Mal- und Schreibpapier wird ja nicht mehr wie Bütten handgeschöpft.

Bei BASF lautet das so: „Amflora bringt Druckpapier zum Glänzen, sorgt dafür, dass es die Druckfarben besser annimmt und macht es hochwertiger.“ Als gäbe es nicht seit Jahrzehnten Veredelungstechnologien in der Papierherstellung, die ohne Gentechnologie ausgekommen sind. Aus Pflanzen und Baumgewächsen gewonnene Zellulose war und ist steter Bestandteil der Papierherstellung. Ebenso auf natürlichem Weg hergestellte Stärke. War und ist die Papierqualität bisher etwa nicht ausreichend? Klar reicht sie aus. Es ist pure Augenwischerei, die Gen-Erpel als Veredelungsrohstoff für die Papierqualität zu bezeichnen.

Vor gut 20 Jahren hat sich etwa die Farbenindustrie – ein Anbieter: BASF – auf die Markt- und Anwendungsreife von wasserlöslichen Druckfarben verständigt, die zu einer Verringerung des Einsatzes benzolhaltiger Druckfarben, zum Beispiel im Siebdruck und Flexodruck, geführt haben. Kohlenwasserstoffhaltige Spezialfarben- und lacke, die sogenannte Weichmacher (Phtalate) enthalten, um auf thermoplastischen Kunststoffen oder zellophanierten Papieren und Kartonagen ausreichend Haftung zu finden, sind in der Druckindustrie im Vergleich zu 1990 nahezu kaum noch im Einsatz. Doch die Amflora-Stärke soll noch mehr können als Papier besser glänzen zu lassen. „Amflora sorgt dafür, dass Sprühbeton besser an der Wand haftet“, so BASF. Die Amflora-Kartoffel als Grundstoff für Garagen- und Fertighaushersteller also?

Die deutsche Stärke-Industrie lehnt Amflora bisweilen ab. Sie soll laut BASF-Angaben getrennt von „herkömmlichen Kartoffeln“ angebaut werden, ein Umstand, den das Stärke- und Kartoffel-Agro-Business nicht auf sich nehmen will. Schließlich könnten es in Haftung geraten, wenn die Trennung nicht gelänge und die Amflora ungewollt als Pellkartoffel endete. Zum Verzehr soll sie aber nicht zugelassen worden sein – eigentlich. Doch als Futtermittel hat die EU-Kommission sie durchgewinkt.  Wenn das gemeine Hausschwein nun die Amflora verspeist, liegt deren Gen-Stärke bald sonntagsmittags oder anderntags in Form eines Rollbratens, Koteletts, Schnitzels, Hackbällchens oder einer Bratwurst auf dem Tisch. Könnte auch sein, dass sie sich im Brotbelag wiederfindet. Guten Appetit.

Für BASF ist die Amflora hinsichtlich des damit zu erzielenden Umsatzes keine große Sache. Der Konzern erwarte erst in einigen Jahren Summen um 30 Millionen Euro pro Jahr. Womöglich deckt das nicht einmal die Portokosten, die BASF jährlich zu verzeichnen hat. Ganz sicher aber nicht die Entwicklungskosten der Amflora. So sieht das Blatt junge Welt nicht zu Unrecht einen „Dammbruch für die Gentechnik-Lobby“ und zitiert BASF-Vorstand Stefan Marcinowski, der einen „Meilenstein für weitere Innovationen zugunsten einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft in Europa“ sehe. BASF – The Chemical Group – steckt wie der US-Chemikant Monsanto viel Geld in die auf den Agrarmarkt gerichtete Bio- und Gentechnologie und beschäftigt hierzu Scharen von Weißkittelträgern, die offenbar nichts lieber tun als der Welt lächelnd die Ergebnisse ihrer Forschung als das Nonplusultra zu verkaufen. So zum Beispiel Gen-Reis. Und weil alles so gut und schön, so hervorragend genial, sauber und unbedenklich genießbar sei, haben die Vorzeige-Chemiker-, Biologen- und Nahrungsmittelgenetiker selbstverständlich keine Skrupel, dazu zu stehen.

Es ist immer dieselbe Leier, die von in dieser Sparte in einschlägigen Konzernen beschäftigten Forschern vorgebetet wird. Doch wer nähme sie, die fröhlichen, angeblich nur ihrer Forschung unterliegenden Weißkittel in Haftung, wenn sie sich geirrt hätten? Und wie argumentierten sie, diese sich im Zweifel meist auf die Wissenschaft berufenden – obwohl von der Industrie bezahlten – Gentechniker, wenn sich all ihr Forscheridealismus und der darum gewobene Kokon plötzlich als ein agrarisches Monster entpuppte?

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