Liebhaber von Qualitätskäse kennen ihn, den Beaufort aus der Region Beaufortain. Der im Départment Savoyen in den französischen Alpen hergestellte Hartkäse gilt als Synonym für eine gelungene wirtschaftliche Regionalentwicklung abseits industrieller Fertigung, wie jüngst der Geograph Rudolf Michna, Emeritus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, in einem Beitrag in der Geographischen Rundschau darlegte.¹
Die heute vor allem bei Wintersportlern geschätzte Region befand sich Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre in einer „schweren sozialen und wirtschaftlichen Krise“, so Michna. Auslöser war der Bau von drei Stausee-Projekten durch den französischen Staatsbetrieb EDF (Electricité de France), die zur Folge hatten, umfangreich fruchtbare Täler und Almen zu fluten. Was wiederum zu „Bergflucht, Betriebsaufgaben, Abwanderung, Verknappung der Arbeitskräfte“ führte, worunter die seit 1825 etablierte traditionelle Käseproduktion zu leiden begann. Erschwerend kam die industrielle Konkurrenz hinzu. Laut Michna sank die Edelkäseherstellung der Kleinbauern und Käser auf unter 500 Tonnen pro Jahr.

Das Phänomen „Bergflucht“, ähnlich dem Begriff Landflucht, der ebenfalls für die Migration in die Städte steht, ist seit gut zwei Jahrhunderten bekannt und erfährt seit der Nachkriegszeit in der Regionalforschung und Geographie besondere Aufmerksamkeit. In die breitere Öffentlichkeit ist dieses Phänomen hauptsächlich durch den Weggang junger Leute in die urbanen Zentren gelangt. Kühe und Milchbottiche nahmen sie normalerweise nicht mit in die Städte. Die alpinen Bauern im Beaufortain machten damals aus der Not eine Tugend, indem sie das heute in manchen so genannten Entwicklungsländern präferierte Modell der Kooperative für sich entdeckten und sich zusammenschlossen. Damit setzten sie einen Kontrapunkt zu der aus Brüssel gesteuerten Agrarpolitik, die schon damals vorzugsweise auf Output setzte, demnach Masse, anstatt auf Qualität.
Wie Michna beschreibt, hatte der genossenschaftliche Zusammenschluss zur Folge, dass die zuvorige „nur mäßig absatzorientierte Käseherstellung durch eine marktwirtschaftliche Produktion“ abgelöst werden konnte. Konkret hieß das: man konzentrierte sich darauf, die Marke Beaufort als Qualitätsprodukt auch überregional aufzubauen und besann sich auf Kostenteilung bei der Vermarktung. 1965 rief man die Union des producteurs de Beaufort (UPB) ins Leben, schaffte manche technologische Neuerung an, implementierte Qualitätsstandards, führte diesbezüglich Qualitätskontrollen ein und untermauerte somit die Käsemarke Beaufort. Im Inland wurde das 1968 mit der AOC-Zertifizierung (Appellation d’Origine Contrôlée) belohnt. 35 Jahre später setzte die Europäische Union ihr AOP-Siegel (Appellation d’Origine Protégée) darauf. Zweifelsohne gelten die Beaufortainer als Beispielgeber für alpines Bauerntum, das sich gegen jugendlichen Aderlass, nationale Regionalentwicklung und europäische Agrarpolitik behauptet hat. Allerdings war es ein langer Weg, wie sich unschwer aus Michnas Artikel entnehmen lässt.

Der auch in Deutschland bei Käsekennern beliebte Beaufort, den es in drei Qualitätsstufen gibt, stammt von rund 13000 Milchkühen der Rassen Tarine und Abondance, die auf rund 4500 qkm alpinen Weideflächen grasen. 405 Agrarbetriebe melken sie ab und käsern Beaufort aus mehr als 52 Millionen Litern Rohmilch, die eine Verzehnfachung der Käsetonnage gegenüber der Ausgangslage vor über 50 Jahren ergeben. 17 bis 24 Monate müssen die rund 40 Kilogramm schweren Laibe bei 8-9 °C und 98% Luftfeuchtigkeit reifen. Zweimal wöchentlich werden sie in Salzlake gewaschen und gewendet. 50% Fett im Trog weist der Beaufort am Ende auf. Im Verkauf kostet er in Deutschland zwischen drei und vier Euro/100 gr, womit er im mittleren Preissegment angesiedelt ist.
Mit einem Dreiviertel der Marktanteile besitzt der genossenschaftliche Beaufort-Verbund gleichwohl die Vorherrschaft über die Herstellung dieses Käses und hat die industriellen Hersteller an den Rand gedrängt. Wie etwa in Äthiopien bei der Kaffeebohnenproduktion erweist sich der Zusammenschluss von kleinbäuerlichen Produzenten als Vorteil für alle. Michna drückt es so aus: „Das Beispiel Beaufort zeigt die Bedeutung einer qualitätsorientierten Agrarproduktion für die Stabilisierung der Landwirtschaft und die Erhaltung der traditionellen Gebirgslandschaft.“
¹ GR Mai 2013, S. 52-53

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