Alex Vilenkin, in der Sowjetunion großgeworden, wanderte 1976 in die USA aus und promovierte an der State University New York in Physik. Im Jahre 1978 wechselte er zur Tufts University in Massachusetts, wo er bis heute – inzwischen als Direktor des Instituts – auf dem Gebiet der Kosmologie forscht. Dem Autor ist mit diesem Buch eine ansprechende Mischung aus wissenschaftlicher und populärer Darstellung gelungen. Von daher ist sein Buch durchaus vergleichbar mit Stephen Hawkings Werk Eine kurze Geschichte der Zeit. Die Suche nach der Urkraft des Universums. Ein wenig dämpfen sollte man allerdings die Erwartung, ein solch komplexes Thema ’so eben einmal‘ als amüsante Geschichte lesen zu können. Der Inhalt setzt schon voraus, dass der Leser mit kosmologischen oder zumindest astronomischen Gedanken vertraut ist.
Der rote Faden, der sich durch das gesamte Buch zieht, ist der Urknall. Dieser Begriff – eine deutsche Übersetzungsvariante und in klerikalen Kreisen gern gehört! – ist in der amerikanischen Version des Buches viel objektiver mit Big Bang umschrieben. Dass ein Urknall stattgefunden habe, der eine Schöpfungsgeschichte als Interpretationsspielraum zuließe, wäre für einen russischstämmigen Autor kaum vorstellbar. Und so gibt Vilenkin auch klar zu verstehen: „Was nun fangen wir mit einem Beweis an, dass ein Anfang unumgänglich ist? Ist er ein Beweis für die Existenz Gottes? Eine solche Sicht der Dinge wäre viel zu vereinfacht. Wer sich anschickt, den Ursprung des Universums zu ergründen, muss bereit sein, sich dessen logischen Widersprüchen zu stellen.“
Vilenkin führt uns seine eigene Theorie zum Universum vor Augen. Zunächst wird ein historischer Abriss zur Entwicklung der Kosmologie gegeben. Dabei werden die Ideen Albert Einsteins, die Modelle Alexander Friedmanns, die quantenmechanischen Vorstellungen eines George Gamow, die Gedanken eines Alan Guth zur „abstoßenden Gravitation“ als Mosaiksteinchen auf dem Weg der Weltfindung sehr lebendig dargestellt, immer mit dem Blick auf die Widersprüche und deren Überwindung. Passend werden die Entdeckungen zur Bestätigung der Kosmologiemodelle eingebaut. So die Expansion des Universums, die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung und der Hawkingsche Beweis der Richtigkeit des Big Bang als einer „Singularität“.
Ausführlich wird in einem plaudernden Ton auf die kosmischen Rätsel eingegangen: Falsches Vakuum, Inflation des Universums, kosmische Strings. Amüsant ist auch die Schilderung verschiedener Irrwege, wie der der Theorie Roger Babsons zum Schwerkraftisolator. Die Vilenkinsche Idee wendet sich in eine Richtung, die den klassisch orientierten Physikern und der theologischen Welt enormes Kopfzerbrechen bereitet: ewige Inflation, zahllose Big Bangs und daraus entstehende Insel-Universen, die unterschiedlich, aber stetig wachsen. In diesen „Parallel-Universen“ sind parallele Zivilisationen denkbar mit parallelen Individuen (hier der Bezug zum Buchtitel), was die Einzigartigkeit der Menschheitsgeschichte natürlich sofort zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Schließlich stellt Vilenkin das Universum als ein Ergebnis einer Quantentunnelung aus dem Nichts vor.
Wie anfangs schon angedeutet: Das Buch ist trotz seiner populären Aufmachung keine leichte Kost. Man muss sich wirklich Zeit nehmen, sich in dieses interessante Thema genügend zu vertiefen, um es auch nachvollziehen zu können. Dann allerdings ist es wirklich spannend.
Peter Riepe ist Physiker und u. a. langjähriger Autor sowie redaktionelles Mitglied beim VdS-Journal für Astronomie, Mitarbeiter der EXPO-Sternwarte in Melle und widmet sich der Astro-Fotografie
Alex Vilenkin: Kosmische Doppelgänger. Wie es zum Urknall kam. Wie unzählige Universen entstehen. Hardcover, 280 S., 50 Abb., ISBN 978-3-540-73917-3. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2008

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