Skip to content
Missionars-Krypta in Magdalena de Kino, Sonora, 2015 | CC-BY-SA 4.0
MEXIKO | Baja California

Die Christianisierung Baja Californias

Auf Baja California hatten es Missionare schwer, der authochtonen Bevölkerung ihren Glauben zu oktroyieren. Dennoch hatten sie es trotz Konflikten vielerorts geschafft. Einige werden dort noch heute gewürdigt
UWE GOERLITZ |
Lesedauer ca. 8-10 Minuten |
25.06.2025

Eusebio Francisco Kino

Rund 80 Jahre nach dem spanischen Seefahrer Sebastián de Vizcaíno kamen Missionare des Jesuitenordens nach Niederkalifornien. Als erste Missionsstation gilt San Bruno, die im Jahr 1683 zirka 30 km nördlich von Loreto von Eusebio Francisco Kino (Eusebius Franz Kuehn, 1645–1711) gegründet wurde und gerade zwei Jahre Bestand hatte. Nach Studien in Mathematik, Kartographie und Astronomie an der Jesuitenschule in Trient, in Hall bei Innsbruck und in Ingolstadt entschied Kino sich, für seinen Orden nach Mexiko zu gehen, wo es noch viele Regionen gab, insbesondere im Norden und Nordwesten, die noch nicht christianisiert waren. Sein Ziel hieß Baja California.

Von Genua reiste er 1678 mit einigen Gefolgsleuten per Schiff in das südspanische Cadíz, wo er insgesamt mehr als zwei Jahre nach unglücklichen Umständen festsaß. Ein erster Aufbruchsversuch in die Neue Welt war im Juli 1680 gescheitert, weil das Schiff, die Nazareno, schon früh in Seenot geriet, sodass er bis Dezember in Cadíz ausharren musste. So erblickte er als einer der vielen Augenzeugen den im November von dem deutschen Astronomen Gottfried Kirch teleskopisch entdeckten Kometen C/1680 V1, dessen Vorbeiziehen wenige Wochen später mit bloßem Auge verfolgt werden konnte. Kino begann noch in Cadíz mit Aufzeichnungen über das Ereignis und führte sie auf seiner kurze Zeit später endlich erfolgten Abreise nach Mexiko weiter. Nach seiner Ankunft in Veracruz, 1681, reiste er nach Mexiko-Stadt – wie damals üblich auf Maultieren – , wo er sie unter dem Titel Exposición astronómica de el cometa veröffentlichte und eine kleine Ausstellung organisierte.

Von Mexiko-Stadt reiste er weiter nach Acapulco und erreichte mit der Expedition von Kapitän Isidro Atondo y Antillón 1683 schließlich La Paz. Doch wie schon Neuankömmlinge mit Eroberungs- und Missionierungsabsichten vor ihm war auch er auf Niederkalifornien unerwünscht und verließ die Halbinsel. Im Herbst des gleichen Jahres aber kehrte er zurück, diesmal in die Nähe von Loreto, und errichtete die Mission San Bruno. Er begab sich auf den beschwerlichen Weg zur Pazifikküste, erkundete Teile des Nordens der Halbinsel, kartierte und fand heraus, dass sie keine Insel war. Kino gelang es, sich mit den unterschiedlichen Stämmen angehörenden Einheimischen friedlich zu verständigen, nicht aber, sie zu missionieren. Ihm missfiel, dass die wenigen Spanier, die sich auf Baja California mittels Gewalt in kleinen Enklaven festgesetzt hatten, die einheimische Bevölkerung zur Arbeit in den Silberminen zwangen. 1685 wurde die Mission San Bruno zerstört.

Kino ging zurück auf das Festland. Er erkundete und kartographierte weiterhin die Regionen. 1696 entwarf er die erste Karte der beiden an den oberen Golf von Kalifornien grenzenden Territorien Baja California und Sonora. Auf ihr wird noch nicht deutlich, dass Baja California eine Halbinsel ist. In den kommenden Jahren war er im gesamten Nordwesten unterwegs und kehrte für zwei Jahre nach Niederkalifornien zurück. 1701 stellte er eine überarbeitete Karte vor, die Baja California als Halbinsel darstellte, die mit Sonora den Golf (Mar de Cortés) im Norden begrenzte. 

Kinos erste Karte von 1696 zeigt Baja California noch als Insel

Kaum einer der im Norden Mexikos aktiven Missionare hat nachhallender gewirkt als der norditalienische Jesuitenpater aus dem Bistum Trient. Auf ihn gehen zahlreiche dortige Missionsgründungen zurück, etwa die Misión Nuestra Señora de los Dolores (1687) in der Nähe des heutigen Ortes Magdalena de Kino und die Misión de San Pedro y San Pablo del Tubutama (1687) in Tubutama. Insgesamt gründete er während seines Wirkens um 20 Missionen und kirchliche Anlaufstationen. In vielen mexikanischen Orten vor allem des Nordwestens würdigen Statuen und Büsten Kinos Wirken, z.B. in Magdalena de Kino, Nuevo Kino, San Nicolás de Kino (alle in Sonora). Wie bei späteren Klerikern, Revolutionshelden, Präsidenten und anderen politischen Protagonisten in Mexiko üblich sind auch Schulen, Orte oder geographische Regionen wie Bahía Kino an Sonoras Golfküste nach ihm benannt.

Juan María de Salvatierra

Nach den erfolglosen Missionierungsversuchen Kinos kam im Oktober 1697 der Jesuit Juan María de Salvatierra (1648–1717), der 1675 aus Mailand nach Mexiko gekommen war, nach Niederkalifornien. Zuvor hatte er in Puebla und Mexiko-Stadt seine theologischen Studien vervollständigt und war 1680 nach Sonora aufgebrochen, um dort die heute als Yaqui bekannte autochthone Bevölkerung zu missionieren. In den folgenden Jahren, die er mit ihnen lebte, gründete er mehrere Missionen und hatte Expeditionen mit Eusebio Kino in Sonora, Chihuahua und Sinaloa unternommen. Doch Niederkalifornien war noch nicht eingenommen, nicht kolonisiert und fernab vom Glauben an Gott, Jesus und das Evangelium. Salvatierra wollte dies ändern, holte sich die Erlaubnis seiner Vorsteher in Mexiko-Stadt, machte sich gemeinsam und auf eigene Kosten mit seinem Glaubensbruder Juan de Ugarte im Oktober 1697 auf den Weg über den Golf und landete in der Bahía Concepción.

Rund hundertzwanzig Kilometer weiter südlich gründete er seine erste Mission, Nuestra Señora de Loreto, die auch als „Mutter aller Missionen in Kalifornien und Niederkalifornien“ bezeichnet wird. Aus ihr ging die spätere Hauptstadt des Südteils der Halbinsel hervor, das heute bei Reisenden beliebte Loreto. In den folgenden Jahrzehnten gründete der Jesuitenorden zahlreiche Missionen auf dem südlichen Niederkalifornien, während sich die indigene Bevölkerung weiter durch eingeschleppte Krankheitserreger dezimierte und den Eindringlingen feindlich gesonnen war. Im Verbund mit spanischen Soldaten, die häufig in der Region sesshaft wurden, ließen die Jesuiten von versklavten Indigenen Verbindungspisten anlegen und Kirchen sowie Unterkünfte errichten, Ackerbau und Kleinviehzucht betreiben und kamen ihrem noch konkurrenzlosen Christianisierungsauftrag unterschiedlich erfolgreich nach.

Die Unterjochten zeigten kein Verständnis für die vom Klerus erzwungene Monogamie. Gegen Unterdrückung, Versklavung, Kinder- und Frauenraub, Misshandlung, Vergewaltigung und Mord, vor allem von Soldaten und ehemalige Matrosen begangen, lehnten sich in der Kapregion die Guaicura und Pericú – insgesamt sollen es um 3000 gewesen sein – schließlich auf. Der Aufstand (Rebelión de los Pericúes) hatte seinen Anfang mit Überraschungsangriffen und Guerrillataktiken im September 1734 in den Missionen Todos Santos und La Paz de Airapí genommen. Die Statthalter Lorenzo José Carranco (Todos Santos) und Nicolás Tamaral (La Paz) wurden getötet. Die Rebellen zogen von Mission zu Mission in ihrem Gebiet – San José del Cabo Añuití, Santiago de los Coras, Santiago de Aiñiní und die Isla del Espiritú Santo –, und entledigten sich ihrer Herrscher oder vertrieben sie. Der Jesuit Clemente Guillén, der der Mission Dolores auf der Isla del Espiritu Santo vorstand, ordente an, sich in die Mission von Loreto zu flüchten und sich dort zu konzentrieren, während sich Schiffsbesatzungen und Soldaten in die Mission San Ignacio zurückzogen, um Cochimí aufzuhalten, falls sie sich den Pericú anschlössen. Drei Jahre dauerte die Rebellion im Süden, dann reichte es der Spanischen Krone. Sie entsandte Schiffe und schlug die indigenen Rebellen nahezu vernichtend. 

Tötung von Nicolás Tamaral am 3. Oktober 1734 bei der Mission San Joseph del Cabo de San Lucas | Quelle: MATHES

Christoph Johannes Jakob Baegert

Baegert (1717–1772) war ein weiterer zu Ansehen gekommener Missionar, der auf Baja California sein Glück versuchte. Er stammte aus Schlettstatt (Elsaß) und wurde von seinem Jesuitenorden nach Mexiko entsandt. Nach einer Vorbereitung im spanischen Cadíz und in Mexiko-Stadt erreichte er Alta California im November 1750 und ein halbes Jahr später Niederkalifornien. Dort ließ er am Rande des Llano de Magdalena 1751 die Mission San Luis Gonzaga Chiriyaqui errichten, deren Turm noch heute erhalten ist. Der Nachwelt hinterließ er das nach seiner Rückkehr nach Deutschland verfasste Werk Nachrichten von der Amerikanischen Halbinsel Californien. Darin gibt er seine Landschaftseindrücke und Einblicke in die indigenen Bräuche wieder. Vor allem das Herablassende in diesem Werk – dort der wilde und rückständige Ureinwohner, hier der kultivierte Europäer, insbesondere Deutsche – wird seit der ersten Übersetzung ins Spanische kritisiert, ebenso, dass er von seinem überschaubaren Mobilitätsradius um seine Missionsstation auf die indigene Bevölkerung der gesamten Halbinsel schließt.

Francisco Javier Clavijero Echegaray

Mit Francisco Javier Clavijero Echegaray (1731–1787) kam einer der letzten Missionare des Jesuitenordens, die auf Baja California eingesetzt wurden. Er stammte aus Veracruz, war Historiker, Philosoph, Theologe sowie Lehrer und hatte seine Studien in Puebla begonnen. Neben Spanisch wuchs er mit Nahuátl auf und lernte später Altgriechisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch und Englisch. In Mexiko-Stadt, wo er seine weiterführenden Studien beendete, gehörte er zur Grupo humanisto del siglo XVIII de México (Mexikanische Humanisten des 18. Jahrhunderts) und wurde 1754 zum Priester geweiht. Während er anschließend im Colegio de San Gregorio unterrichtete, studierte er alles an Dokumenten, Aufzeichnungen und Schriften über Mexiko, was das Colegio San Pedro y San Pablo (Mexiko-Stadt) dazu bereithielt. Er mochte Indigene und galt ihnen als vertrauenswürdig, weil er ihre Sprache verstand und sprach. Er unterrichtete ebenso in Puebla, Morelia und Guadalajara, bis er mit allen anderen Jesuiten Mexiko verlassen musste und nach Italien ging. Dort verfasste er das zehnbändige Werk La Historia Antigua de México, das ab 1780 zuerst auf Italienisch veröffentlicht wurde. Seine vierbändige Historia de la Antigua o Baja California erschien post mortem 1789.

Ordenswechsel

Ab 1752 gründeten die Jesuiten noch vier Missionen auf Baja California, zunächst Santa Getrudis, zehn Jahre später San Francisco de Borja Adác, 1766 Calamajué, und die letzte, Santa María de Los Angeles, 1767. Im gleichen Jahr wurde das von Francisco de Ulloa entdeckte Monterey im heutigen Kalifornien zur Hauptstadt der Las Californias. Das dem Vizekönigreich Neuspanien einverleibte Territorium erstreckte sich inzwischen entlang des Pazifiks bis nach Oregon und ließ Neuspanien nach Brasilien zum zweitgrößten zusammenhängenden Territorium der Neuen Welt aufsteigen. Ebenfalls 1767 mussten auf Geheiß der Spanischen Krone alle Jesuiten Baja California (und Mexiko) verlassen. 27 Missionen hatten sie während der 75 Jahre ihres Wirkens errichtet, davon 23 im heutigen südlichen und vier im nördlichen Bundesstaat Niederkaliforniens.

Nach ihnen kamen 1769 die Franziskaner. Auf Anordnung der Spanischen Krone sollten sie weiter nach Norden gehen, um vor allem in Alta California aktiv zu werden, weshalb das 1642 von João Rodrigues Cabrilho entdeckte San Diego 1769 durch Junipero Serra die erste Mission im heutigen Kalifornien bekam. San Francisco wie auch Los Angeles gehen ebenfalls auf Franziskaner-Missionen zurück. Auf Niederkalifornien übernahmen sie einige von den in Spanien in Ungnade gefallenen Jesuiten hinterlassene, schlossen oder überbauten manche und gründeten auf der Halbinsel nur die Mission San Fernando Rey de España de Velicatá bei El Progreso, die 1818 aufgegeben wurde.

1774 erreichten auch die Dominikaner Niederkalifornien. Sie ließen sich bei El Rosario nieder, wo sie die Station Nuestra Señora del Rosario Viñacaro aufbauten. Die wiederaufgebaute Mission Santiago de los Coras wurde 1774 von ihnen übernommen und 1795 verlassen. Sie übernahmen manche weitere von den Jesuiten verlassene Mission und missionierten in den folgenden Jahrzehnten vorwiegend im nördlichen Territorium der Halbinsel, wo sie 1834 ihre letzte Station, Guadalupe, errichteten. Dann war es auch für sie vorbei. Doch die rund hundertvierzig Jahre Missionierung auf Baja California wirken bis zum Tage nach. 

J: Jesuiten, D: Dominikaner, F: Franziskaner | vC: Mission/Kapelle erhalten, vR: Ruine erhalten, ü: überbaut, Pr: gut erhalten/restauriert | Quelle: Colmex | GEOWIS

Sechs Missionen sind noch gut erhalten oder weitgehend restauriert (Santa Rosalía de Mulegé, Mulegé; Nuestra Señora de Loreto Conchó, Loreto; San Francisco Javier de Viggé-Biaundó, San Javier; San Ignacio de Kadakaamán, San Ignacio; und weiter im Süden Santa Rosa de las Palmas, Todos Santos, und San José del Cabo Añuiti, San José del Cabo). Von allen anderen sind lediglich fünf Ruinen übriggeblieben (Santa Catarina Virgen Mártir, San Miguel Arcángel de Frontera, bei Ensenada; El Descanso, Rosarito; San Vicente Ferrer, Santa Cruz; San Luis Gonzaga de Chiriyaqui, Ciudad Constitución).

Literatur

1 MATHES, Michael W., 2012: Indian Warfare in Baja California 1533-1857. Keepsake 46, Los Angeles Corral of The Westeners

2 LEÓN-PORTILLA, Miguel, PIÑERA RAMÍREZ, David, 2011: Baja California, Historia Breve. Segunda edición, El Colegio de México

3 RÍO, Ignacio del, ALTABLE FERNÁNDEZ, María Eugenia, 2011: Baja California Sur, Historia Breve. Tercera edición, El Colegio de México

4 Enciclopedía de México, vol. 3. 1987

Geowis Logo Klein

GEOWIS