Erst kürzlich gestand er während einer Türkeireise in der Zeitung Hürriyet türkischen Gastarbeitern den Wiederaufbau der Bundesrepublik nach dem Krieg zu, obschon die ersten erst kamen, nachdem 1961 ein Anwerbeabkommen mit der Türkei geschlossen worden war und das meiste hierzulande bereits wieder aufgebaut war. Das Gros der überwiegend ungelernten Arbeitskräfte schuftete fortan in der Automobilindustrie, etwa bei den Fordwerken in Köln, bei Mercedes – „beim Daimler“ – in Stuttgart, bei Volkswagen in Wolfsburg, BASF in Ludwigshafen, der Stahlindustrie im Ruhrgebiet und anderen schmutzigen Industriebereichen. Günter Wallraff hatte ihnen 1977 mit dem Buch Ganz unten ein dokumentarisches Arbeiterdenkmal gesetzt.
In Syrien ließ sich der Husumer Weltbürger angesichts der Kriegsschäden zu dem Vergleich hinreißen, diese seien schlimmer als in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Wadephul, 1963 geboren, müsste gemäß seines Jahrgangs grundsätzlich einen ausreichenden Geschichtsunterricht genossen haben, der von Klitterung noch weitgehend verschont war. Doch selbst, wenn er nur etwas über die Geschichte des Herings, der Sprotte und der Qualle gelernt haben sollte, was ja an der Wasserkante nicht unwichtig ist, sollte ihm nicht verborgen geblieben sein, in welchem vernichtenden Ausmaß deutsche Städte, die nicht aus Lehmziegeln oder Billigbeton bestanden, zerbombt worden waren. Zumal seit fast einem halben Jahrhundert Dokumentationen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gesendet werden und die Mediatheken der Sender voll davon sind. Und falls er tatsächlich so ahnungslos wäre, wie er es die Welt mit seinem Vergleich hat wissen lassen, hätte er sich der weisen Worte des Zynikers Dieter Nuhr erinnern können, der zur Vermeidung von solcherart verbalem Unsinn schon vor längerer Zeit geraten hat, „einfach mal die Fresse“ zu halten, wenn man „keine Ahnung“ habe.
So aber konterkariert Wadephul die Abschiebe- und Rückkehrpläne von Kanzler und Innenminister und wandelt dazu noch in den kleinen Fußstapfen seiner inzwischen in New York Touristenvideos drehenden und – viel bedenklicher – sendenden Vorgängerin Baerbock, die nach Kräften dafür gesorgt hatte, dass das einst international geachtete deutsche Außenministerium an seiner Spitze zu einem von Emotionen beseelten Komödiantenstadl verkommen ist. Das hatte sich freilich schon vor Wadephuls Auftritt in Syrien bis nach China herumgesprochen. Eine vorgesehende offizielle Reise dorthin musste er jüngst absagen, weil sich partout nur ein Vertreter der KPCh finden ließ, der Zeit für ein Gespräch für ihn gehabt hätte. Mittlerweile hat man sich in China erbarmt. Er habe mit Chinas Außenminister Wang Yi telefoniert und wolle die Reise nachholen. Dort sind Politiker in Führungspositionen geschichtsfest, nicht nur, was das eigene Land betrifft, sondern mit Blick auf jede Nation, mit der sie zu tun haben. Blamagen, wie sie der Außenminister Deutschland beschert hat, führen im Reich der Mitte und jeder anderen Nation, die auf sich hält, zu Recht in die politische Versenkung. Gefühlsregungen, wie Wadephul und vor ihm Baerbock an den Tag legten, stehen nicht im Protokoll. Sie gelten als Ausdruck von Schwäche.
Er sei „kein Weichei“, stellte er in einer CDU-Sitzung klar, nachdem er zu seinem hinkenden Kriegszerstörungsvergleich Auskunft gegeben hatte. Dieser Selbsteinschätzung können nicht alle Parteifreunde folgen. Sicherlich ist der Minister aus dem Dunstkreis des schleswig-holsteinischen Ministerpräsiden Daniel Günther auch kein Mann der überlegten Worte und des diplomatischen Geschicks im Sinne Deutschlands, ebensowenig der klaren. Da ist seine CDU-Parteifreundin, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, von realistischerem Kaliber und erst recht kein Weichei. Deutschland sei „der Puff Europas“, sagte sie mit Blick auf die Prostitution hierzulande in ihrer Laudatio bei der Verleihung des Heldinnen-Awards in Berlin.
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