1998 war Joschka Fischer unter den Anhängern der Grünen/Bündnis 90 der nahezu unumstrittene Anführer der Partei, als es darum gegangen war, der SPD und deren damaligem Kanzlerkandidaten Gerhart Schröder den Hof zu machen. Zehn Jahre zuvor hatte Fischer sich noch im Fundi-Realo-Richtungsstreit abgearbeitet und sich schließlich mit seinen Realos durchgesetzt. Kurz: Fischer wurde Außenminister, befürwortete den Einsatz deutscher Soldaten auf dem Balkan, betete die US-Außenministerin Madeleine Albright an, joggte öffentlichkeitswirksam beinahe bis zur Erschöpfung und versuchte insgesamt mal mehr, mal weniger eine gute Figur abzugeben. Unter ihm wurden die Strukturen angelegt, in denen sich die Grünen heute bewegen. Kanzlerkanidat war er nie.
Den haben Grüne/B90 erstmals mit Robert Habeck. Zwar bemühte sich die Partei mit Annalena Baerbock ihre seinerzeitige Galionsfigur zur Wahl 2021 ins Kanzleramt zu entsenden, aber die ist bekanntlich weiblich und erwies sich nicht nur als nicht ausreichend satisfaktionsfähig, sondern fiel öffentlich durch wenig überlegtes Plagiieren, Sprechen und Handeln auf. Als Außenministerin ist sie ihrer Linie bislang überwiegend treu geblieben, indem sie zum Beispiel weder in Washington noch in Peking und Moskau ernstgenommen wird. Schon gar nicht von Herrschern muslimisch geprägter Länder. Eigentlich nirgendwo so richtig, bestensfalls noch auf manchen Südseeinseln und -atollen.
Bei Robert Habeck liegen die Dinge anders. Er ließ die noch verbliebenen Atomkraftwerke abschalten, teures Flüssiggas per Schiff anliefern, Strom aus französischen AKW einkaufen und blieb wie sein Kanzler Olaf Scholz tatenlos, nachdem in der Ostsee die Gaspipeline Nordstream II gesprengt wurde. Darüber hinaus setzte er ein Energiegesetz durch, das Windräder und Wärmepumpe präferiert, und sorgte entgegen aller Warnungen für die höchsten Energiekosten, die die deutsche Industrie und private Haushalte je zu tragen hatten. Folgerichtig schrumpfte er auf diese Weise die deutsche Wirtschaft. Er erhöhte durch seine unweisen Entscheidungen sämtliche Lebenshaltungs- und Betriebskosten, wovon insbesondere Bezieher mittlerer und geringer Einkommen sowie Klein- und Mittelbetriebe (KMU), Handwerker, Freiberufler sowie Landwirte betroffen sind. Auch überstand er die ominöse Graichen-Affäre und versucht gerade aus dem Fahrwasser der Intrige gegen den Berliner Grünen Stefan Gelbhaar zu gelangen. Nebenbei betätigt er sich als Autor und findet genügend Zeit, die Verfasser von ihm missliebigen Meinungsäußerungen anzuzeigen.
Dennoch huldigen ihm viele seiner Parteimitglieder und Anhänger, als hätte er alles richtig gemacht. Im Wahlkampf an des Volkes Küchentischen mimt er den verständnisvollen Robert, was neben seinem Fußvolk auch seine Jünger unter der schreibenden und sendenden Zunft beglückt. Es scheint, als sei er der Heiland höchstselbst, der all die Mühen und Malaisen, mit denen er den Teil des Volkes überzieht, der ihn nicht wählt, zwar verursacht hat, aber nicht verantworten möchte. Seine Jünger schreckt das nicht. Mit etwas modernerer Technik als vor dem Fall der Berliner Mauer verfügbar bedienten sie sich bei den Altmeistern des Personenkultes – Hitler, Stalin, Mao –, indem sie das Konterfei ihres Heiligen Robert bei Dunkelheit auf das Siegestor in München und wenig später die Fassade der Kunsthalle in Hamburg projizierten und es mit „Bündniskanzler. Ein Mensch, ein Wort.“ betitelten. Die dabei mitangestrahlte Inschrift des Tores – Dem Sieg geweiht, vom Krieg zerstört, zum Frieden mahnend – kam dennoch zur Geltung.

Sankt Robert ist alles andere als ein Heiliger. Auch kein „Bündniskanzler“. Seine Auffassung von Demokratie lässt deutlich zu wünschen übrig, wenn er – wie jüngst in der ‚Wahlarena‘ des Mannheimer Morgen – bekundet, dass „der Bund sich künftig mehr um das Thema Bildung kümmern“ müsse und es „nicht sinnvoll“ sei, „Bildungsfragen ausschließlich auf föderale und kommunale Ebenen zu verlagern.“ Er möchte in einer „viel fundamentaleren Art die Spielregen, mit denen wir unser Gemeinwesen organisieren, neu aufstellen.“ Keine nette Art, den Föderalismus anzugreifen und somit einen Pfeiler unserer Demokratie. Dabei wäre es hilfreicher, die Länder bedingungslos mit zweckbezogenen Finanzhilfen auszustatten, 50 Milliarden wären für den Anfang nicht schlecht. Oder sie von finanziellen Bürden zu befreien, etwa bei der Unterbringung von Flüchtlingen und illegal Zugewanderten. Habeck jedoch strebt eine zentral gesteuerte Bildung an, die im Ergebnis auf eine weitere Nivellierung abzielt. Nicht nur die Pisa-Studien weisen dies aus, sondern auch die Einführung des Bachelor-Master-Studiensystems an Hochschulen und eine Reihe von Parteimitgliedern, die durch infantile oder wenig durchdachte Äußerungen herausragen.

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