Von einem Wirtschaftswissenschaftler erwartet man Aussagen, deren Fundament ein ungetrübter Blick auf Zahlen sowie eine sachkundige Analyse ist, was eine daraus resultierende nüchterne Schlussfolgerung zulässt. Diese Erwartungshaltung wird zumindest von manchen Ökonomen, die an der Spitze deutscher Wirtschaftsinstitute stehen, schon länger nicht mehr bedient. So zum Beispiel vom Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratscher. Jüngst äußerte sich der laut Vita bestens ausgebildete und viel gereiste Professor mit Hang zur SPD über eine potentielle AfD-Regierung, wobei offenblieb, ob in den Ländern oder im Bund. „Die Vorstände in den Unternehmen müssen jetzt Farbe bekennen gegen rechts und ihren Beschäftigten vor Augen halten: Eure Jobs sind in Gefahr, wenn die AfD sich durchsetzt.“
Wäre nicht eher Fratschers Job in Gefahr? Denn seit wann haben Unternehmsvorstände ihre Beschäftigten auf Regierungslinie zu bringen oder sie in ihrer Wahlentscheidung zu beeinflussen? Zuletzt geschah dies in der untergegangenen DDR und davor im Dritten Reich. Und genau dort knüpfen Fratschers unreflektierte Aussagen an. Er scheint dies offenbar nicht einmal zu bemerken, denn er schwadroniert beleglos munter weiter: „Die Wirtschaft und Unternehmen wären die großen Verlierer einer AfD-Politik“ und „Millionen Arbeitsplätze“ würden verlorengehen. Mit solchen Aussagen kann er sich gut bei der als woke berüchtigten Humboldt-Universität Berlin sehen lassen, wo er eine Professur innehat. Als Ökonom hingegen disqualifiziert er sich damit. Denn weshalb sollten „Millionen Arbeitsplätze“ verlorengehen, wenn die AfD regierte? Und: sorgt nicht die jetzige Regierung bereits seit Amtsantritt für mehr Unternehmenspleiten und Arbeitslose als die vorangegangene in vergleichbarem Zeitraum?

Auch das schon vielfach vorgetragene Mantra, „ohne Beschäftigte aus dem Ausland werde sich der Fachkräftemangel erheblich verschärfen“, unterstreicht, dass der Mann sich bestens auf Allgemeinplätze versteht. Doch Zahlen, die seine Prognose – oder sollte man sie warnende Prophezeihung nennen? – stützten, blieb der Paradeökonom schuldig. Genauso wie Logik. Denn der Fachkräftemangel, seit gut 30 Jahren regelmäßig beklagt, lässt sich nicht mit unkontrollierter Zuwanderung von unausgebildeten Habenichtsen aus Dritte-Welt-Ländern beheben, von denen ein erheblicher Teil erst noch alphabetisiert werden muss, bevor reguläre Sprachkurse besucht werden können, um anschließend in das hiesige Berufsleben Eintritt zu erhalten.
Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), bemühte die Geschichte. „Demokratie und Marktwirtschaft entsprangen historisch denselben Wurzeln am Beginn der europäischen Moderne vor über 200 Jahren, auf Dauer können sie auch nur gemeinsam gedeihen“. Nun ja, Demokratie und Marktwirtschaft sind älter als die europäische Moderne, die bereits Ende des 16. Jahrhunderts begonnen hatte, nimmt man Descartes und dessen Zeitgenossen Montaigne zum Maßstab, also vor über 400 Jahren. Doch diesertage nehmen viele es nicht so genau, wenn es darum geht, die Ampel-Regierung zu stützen, indem die politische Konkurrenz desavouiert wird. So lobte Wirtschaftsforscher Hüther die Demonstrationen „gegen Rechts“, indem er darin ein „gutes Zeichen“ sehe, worauf „die Weimarer Republik“ nicht habe bauen können. Zudem verstieg er sich in der Aussage, dass „nur offene Grenzen“ den Wohlstand sicherten.
Steile Thesen, die nicht auf einem tieferen Blick in die Geschichtsbücher fußen. Die Weimarer Republik ist sicherlich nicht durch zuwenig Demonstrationen „gegen Rechts“ untergegangen, sondern durch überhöhte Reparationsforderungen der Sieger des Ersten Weltkrieges, die erzwungene Abdankung Kaiser Wilhelm II und die Machtergreifung der Sozialdemokraten unter Friedrich Ebert, eine ins nahezu Unermessliche vorangeschrittene Inflation und daraus resultierenden Zusammenbruch der Wirtschaft, der hohe Arbeitslosigkeit und Massenarmut nach sich zog. Heute wandern Unternehmen aufgrund zu hoher Energiepreise, Lohnnebenkosten und überbordender Regulierung ab, Stichwort: Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, oder schließen ihre Pforten. Dass „nur offene Grenzen“ verantwortlich für deutsche Wohlstandssicherung seien, ist ein weiteres Märchen, zumal im Umkehrschluss daraus abgeleitet werden kann, es hätte zu Zeiten von substantiellen Grenzkontrollen, also etwa bis 1990, keinen Wohlstand gegeben.
In die Riege der Zeitgeistideologen reiht sich auch der Greta-Thunberg-Versteher und Aufsichtsratchef von Siemens Energy ein, Joe Kaeser, der 2018 in Davos Ex-US-Präsident Donald Trump so naherückte, dass zu befürchten war, er hätte sich in ihn verliebt. In einem Reuters-Interview mit Blick auf die Umfragenergebnisse der AfD gab Kaeser von sich: „Wer die AfD wählt, entscheidet sich für den Verlust des Wohlstands unseres Landes und seiner Bürger.“ Vom Chef des Arbeitgeberverbandes, Rainer Dulger, kommen indes ganz andere Einschätzungen als von Fratscher, Hüther oder Kaeser. „Die Unternehmen haben das Vertrauen in die Bundesregierung verloren“, zitiert ihn die Welt (online). Es komme „einfach nichts.“ Er könne „jetzt so manchen Wutbürger mehr und mehr verstehen und die Arbeitgeber seien enttäuscht“, äußerte er mit Blick auf nicht erfüllte Regierungsversprechen.

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