Skip to content
Ein falsches Ei im Nest | Foto: M. Abolins-Abols
VERFASSUNGSSCHUTZ

Faesers Kuckucksei für Dobrindt

SPD-Kader Nancy Faeser, verantwortlich für den nationalen Verfassungsschutz, hinterlässt ihrem Nachfolger ein Problem, dessen Tragweite noch nicht absehbar ist
Von TOM GEDDIS |
Lesedauer ca. 3-4 Minuten |
05.05.2025

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: der bundesdeutsche Verfassungsschutz (BfV) bedient sich drei Jahre lang vorwiegend öffentlich zugänglicher Quellen und Einzelmeinungen, klassifiziert das ganze als geheim, nennt die vermutlich geleimte oder als Datei aufbereitete 1100-Seiten-Lose-Blatt-Sammlung „Gutachten“ und stuft darauf gestützt in einer dürren Pressemitteilung vom 2. Mai die AfD, zweitstärkste im Bundestag vertretene Partei, als „gesichert rechtsextrem“ ein. Einem Studenten der Rechtswissenschaft würde mit einer solchen Leistung wohl empfohlen werden, das Fach zu wechseln. Den beiden Stellvertretern des noch ohne Präsident die Verfassung schützenden Kölner Amtes, Sinan Selen und Silke Willems, müsste das gleiche widerfahren, denn die gelernten Verwaltungsjuristen scheinen von der Materie nicht viel zu verstehen. Nicht nur, weil sie die für ein Gutachten von derartig öffentlichkeitswirksamer Tragweite unerlässliche Expertise als Verfassungsrechtler vermissen lassen, sondern auch, weil sie den weder in der Rechtswissenschaft noch in einem Gesetz, schon gar nicht im Grundgesetz, das sie zu schützen vorgeben, existierenden oder definierten Begriff „gesichert rechtsextrem“ bzw. „rechtsextremistisch“ verwenden. Deutlicher kann man sich als Jurist kaum blamieren.

Als weisungsgebundene Bundesbehörde, die dem Innenministerium untersteht, dem noch bis zur Kanzlerwahl und Kabinettsbestätigung durch den Bundespräsidenten Nancy Faeser geschäftsführend vorsteht, hat sich das BfV damit einmal mehr zum Erfüllungsgehilfen der Regierung gemacht, die bislang nicht in der Lage war, die AfD politisch zu stellen. Doch die scheidende SPD-Innenministerin, selbst Juristin, hat ihrem designierten Nachfolger Alexander Dobrindt (CSU) mit ihrer eines Preisboxers würdigen Taktik nach dem Kuckucksprinzip ein wie auch immer noch zu bebrütendes Ei ins Nest gelegt, dessen Ausbrütung ihn vor eine komplizierte Dialektik stellt.

Bislang steht Dobrindt einem Verbot der AfD skeptisch gegenüber und könnte zu einer differenzierteren Bewertung als das BfV gelangen, zumal, wenn er Verfassungsrechtler bemühte, die in dem „Gutachten“ keine ausreichenden Belege für eine „gesichert rechtsextreme“ Partei entdecken können. Zumindest will Dobrindt das „Gutachten“ fachlich prüfen lassen, ein Vorgang, den Faeser offenbar versäumt hat. Auch die Möglichkeit, es zu veröffentlichen und so nicht nur die Einschätzung vorab informierter Journalisten wie etwa Melanie Amman vom Spiegel und die repetetiven Rufe bisheriger Befürworter eines Verbots durch die Medien geistern zu lassen. Beides beschädigte das BfV weiter, dem er allerdings etwas entgegensteuern könnte, wenn er rasch einen Präsidenten präsentierte, der ihm diese Arbeit abnähme. Stützt er sich entgegen seiner Skepsis in Vorbereitung eines Verbots auf das BfV-Konvolut und belässt es bei der Einschätzung des BfV, würde das zwar für ein Jubeljauchzen der Verbotsbefürworter sorgen, hingegen letztlich aber mit dem Risiko behaftet sein, vor dem Bundesverfassungsgericht zu scheitern.

Gegen die Einstufung hatte die AfD am vergangenen Freitag eine Abmahnung an das BfV versandt, mit der Aufforderung, bis heute früh, 8:00 Uhr eine Unterlassungserklärung abzugeben. Auf diese zwar sehr kurz gesetzte, rechtlich i.d.R. aber zulässige Frist hat das BfV erwartungsgemäß nicht reagiert, weshalb die Partei heute beim Verwaltungsgericht Köln Unterlassungsklage in Verbindung mit einem Eilantrag gegen die Einstufung sowie die erhobenen Behauptungen eingereicht hat.

Geowis Logo Klein

GEOWIS