Mit Wolfram Weimer hat Friedrich Merz einen Mann zum Kulturchef der Republik benannt, von dem viele sich erhoffen, dass er das Kulturelle wieder auf eine niveauvolle, seriöse Ebene hievt. Von dieser war seine Vorgängerin Claudia Roth (Grüne) inhaltlich wie personell stark abgewichen. Ruft man sich nur die Fettnäpfe ins Gedächtnis, in die Roth tapste – Documenta, Benin-Bronzen, Berlinale –, so reichen diese schon aus, um nicht noch die vielen Fettnäpfchen bemühen zu müssen. Die mal schrille, mal ideologisch untermalte, meist aber bunte Selbstinszenierung zu Kulturveranstaltungen von lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Bedeutung während ihres Wirkens im Regenbogenland war zum Fremdschämen.
Der Kontrast zu ihr könnte mit Weimer kaum größer sein. Das liest sich bereits aus den veröffentlichten Biographien der beiden. Während Roth sich nach zwei Semestern von ihrem Studium (Theaterwissenschaft, Geschichte, Germanistik) verabschiedet hatte und anschließend als Dramaturgie-Assistentin und Dramturgin an Kleinstbühnen durch Westdeutschland tingelte sowie sich bis vor 40 Jahren für kurze Zeit als Managerin der einstigen Linksrock-Gruppe Ton, Steine, Scherben verstand, kam Weimer zu Studienaufhenthalten im Ausland, nationalem Abschluss und wurde promoviert. Hernach widmete er seine Zeit erfolgreich dem geschriebenen Wort, der Magazinentwicklung (Cicero) sowie dem Verlags- und Publikationswesen. Abgesehen davon, dass so ziemlich jede Art von Umgebungs- und Umweltveränderung, z.B. ein Studium im Ausland, eine Reise, den eigenen kulturellen Horizont unmittelbar erweitern kann, bringt Weimer im Vergleich eine breitere kulturelle Bildung, Handwerkliches und Verständnis für Kosten-Nutzen-Relationen mit.
Insofern steht zu hoffen – für andere zu befürchten –, dass im gut gepamperten deutschen Kulturbetrieb eine Bestandsaufnahme vorgenommen und so manche Förderung unter das Brennglas geraten wird. Weimer deshalb einen „Ideologen“ zu schimpfen, was ihn für das Amt „disqualifiziere“, wie der Schauspieler Ulrich Matthes in der 3sat-Sendung Kulturzeit meinte, ist abwegig, wenngleich Matthes’ Befürchung, dass Weimer sich für „Einschnitte im Subventionssystem der Hochkultur“ starkmachen werde nicht ausgeschlossen ist. Nicht an jeder Bühne muss die xte Interpretation von Faust oder Kabale und Liebe aufgeführt werden. Mehr ökonomische Eigenverantwortung der Kulturbetriebe ist daher genauso wünschenswert wie mehr kreative Eigenleistung. Das kann zu mehr Besucherakzeptanz führen. New Yorks Broadway beweist das seit seinem Bestehen. Zu hoffen steht auch, dass Weimer Akzente im durchgegenderten Kulturbetrieb setzt sowie das Ausufernde in den staatlichen Museen begrenzt, um damit Mittel zur Verfügung zu bekommen, die in andere oder neue Kulturprojekte fließen können.
Weimer bewegt sich auf nationalem wie internationalem Parkett bislang eher zurückhaltend, statt auffällig, wie er als Initiator des Ludwig-Erhard-Gipfels am Tegernsee und etlichen anderen Veranstaltungen bereits zeigen konnte. Clownereien oder missverständliche, hinterher zu relativierende oder zu korrigierende Aussagen von ihm sind kaum vorstellbar; ein intensiverer Kulturaustausch mit vom Regenbogenland der vergangenen Jahre vernachlässigten Ländern und Regionen aber schon.

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