Die Jugendschutzbeauftragte der Saunabetriebe Müller, die im Dortmunder Bezirk Hörde, Ortsteil Höchsten, an der Wittbräucker Straße 370 im ersten Stockwerk „über dem Sonnenstudio McSun“ den Klub Happy-FKK betreibt, heißt Frau Müller. So steht es im Impressum auf der Internetseite der Lokalität. Angeboten wird ein für einen Saunabetrieb umfangreiches Programm in teils fragwürdiger Ausdrucksweise. Zitat: „Die Girls, die sich in unserem Haus aufhalten sind hübsch, International, überwiegend jung (zwischen 18 bis mitte 20 Jahre), tabulos und mit dem Herzen dabei. Es kann über alles gesprochen werden, die Girls sind sehr offen für Eure Wünsche und mit dem Herzen dabei.“
Neben dem üblichen Tresenbetrieb gibt es ein Kaminzimmer, Pornokino (‚Porno Kino‘), Saunen (‚Finische‘), Fitnessbereich (‚Fitnisbereich‘), Schwimmbad, Zimmer mit Namen wie Stern, Herzchen, Red Angel. Alles auf der Webseite in der ‚Bildergallerie‘ zu betrachten. Kurz: 650 Quadratmeter Puff. Unter ihm hat die IG Jugend & Freizeit ‚Youngster Point‘ (YP) ihre Räume, die nun aufgrund einer Beschwerde geschlossen wurden. Eine der Begründungen lautet, die Bordellgäste fühlten sich gestört und beim Gang ins Etablissement „peinlich beobachtet“, berichten die Dortmunder Ruhr Nachrichten (RN) in ihrer Ausgabe vom vergangenen Samstag. Zur Argumentation der Bumsstation-Betreiber, die sich in einem Brief an den Immobilienverwalter niederschlägt, gehört auch, die Jugendlichen, die im Alter von 10-18 sind, missbrauchten Alkohol und Drogen. Zudem würden sie randalieren. Schwer vorstellbar, wenn man sich die Kinder und jungen Leute ansieht.
Die Anschuldigungen seien laut Polizeisprecher Oliver Peiler haltlos, wie dieser gegenüber den Ruhr Nachrichten äußert. „Wir haben auf dem Höchsten überhaupt keine Probleme mit Jugendlichen“, so Peiler. „Wir sind sogar froh über den Jugendtreff.“ Die Betreiber des Etablissements sahen jahrelang keinen Anlass, sich zu beschweren. Der YP geht auf eine Initiative von Christian Peltzer, Vater von zwei Kindern, und mitinitiativen Eltern zurück, die in Ermangelung ausreichender städtischer Angebote und Einrichtungen in diesem Ortsteil den Treff im Jahr 2003 ermöglichten. Zwar bestand der Puff zu diesem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren, doch war das offenbar aus Elternsicht kein Problem. So sagt Ulrike Wilhelm (39), Mutter einer Dreizehn- und eines Zehnjährigen, gegenüber den Ruhr Nachrichten: „Ich bin dankbar, daß es dieses Angebot gibt. Meine Kinder sind hier sehr gut aufgehoben.“
„Wenn da einer geht, dann der Puff“, lässt sich CDU-Ratsmitglied Walter Knieling vernehmen. Monika Landgraf, Stadt-Eltern-Vorsitzende, stimmt mit ein. „Ein Puff darf keinen höheren Stellenwert haben als ein Jugendtreff“. Hehre Worte. Doch ein Puffbetreiber zahlt Steuern, und die Saunabetriebe Müller beschäftigen nach eigenen Angaben sozialversicherungspflichtige Nutten. Ein Jugendtreff zahlt hingegen nicht nur keine Steuern, sondern kostet im Zweifel Geld aus selbigen. Mit aus Ratlosigkeit resultierenden, Empörung ausdrückenden Statements sind Ratsmitglieder oft schnell bei der Sache. Nun muss eine Lösung her.

Puff und YP liegen in einer wenig exponierten Lage der Wittbräucker Straße (B 234) unweit des Abzweigs zur hinab nach Hörde führenden Benninghofer Straße. Es gibt etwas Kleingewerbe – z. B. Fahrschule, Döner-Imbiss -, Leerstand und nichts Besonderes, eingebettet in schäbige Architektur und städtebauliche Tristesse. Während sich in den Obergeschossen des Bordells vergnügt und in Plüsch gewälzt wird, verbringen die Jugendlichen harmlose Abende auf ausgedienten Sprungfedernsofas und Holzmobilar. Sie unterhalten sich, beschäftigen sich mit Spielen, hören Musik – was man in einem Freizeitreff eben macht. „Sich hier zu treffen, ist abends immer ganz gemütlich“, wird ein 18jähriger zitiert (RN). Man finde hier schnell Freunde, äußert sich ein 13jähriger. Auch die Streiche halten sich den jungen Leuten zufolge in Grenzen. „Höchstens mal Klingelmännchen.“
Dass die Argumentation der Puffbetreiber hinsichtlich peinlichen Beobachtetwerdens hinkt, lässt sich allein an den Zugängen zu Happy-FKK ablesen. Beide liegen nicht im direkten Sichtbereich des Jugendtreffs. Zwei Treppenaufgänge mit Geländer, einer links mit Sichtschutz, der andere rechts und so weit entfernt vom Eingang des YP, dass die Gäste des FKK-Klubs durchaus unbeobachtet zum Etablissement gelangen können. Lediglich der Parkplatz liegt im direkten Sichtbereich der Jugendlichen. Wer nicht gesehen werden will, bräuchte nur etwas abseits zu parken oder sich von einem Taxi bringen zu lassen, um unerkannt zum Vergnügen schreiten zu können. So stellt sich die Frage, welche Gäste sich im Happy-FKK „beobachtet“ fühlen? Auswärtigen könnte es im Zweifel einerlei sein. Ortsanässigen wohl weniger. Was geschähe als nächstes, wenn die Beschwerde der Saunabetriebe Müller fruchtete? Etwa den Döner-Pizza-Imbiss zu vertreiben, dessen Kundschaft auf den links gelegenen Treppenaufgang blicken kann? Oder die Fahrschule?
Dass vorschnell eine Jugendfreizeiteinrichtung – zumindest vorerst – dichtgemacht worden ist, spricht angesichts der Notwendigkeit, Jugendliche in ihrer Freizeit nicht auf den Straßen herumhängen zu lassen, den mediengerechten Sonntagsreden verantwortlicher kommunal-, regional- und bundespolitischer Politiker Hohn. Fußballer Oliver Kahns vielzitierte Forderung nach „Eiern“ wären vonnöten. Stattdessen kam laut RN von Ortwin Schäfer, Leiter des Ordnungsamtes, das den Puff konzessioniert hatte, nur die dehnbare Aussage, der Betrieb werde sauber geführt. In der kommenden Woche würden einige Gespräche geführt, das Ordnungsamt werde den Besitzer „mäßigen“.
Die Posse um Puff versus Jugendtreff wäre geeignet, sich kommunalpolitisch zu profilieren. Eine echte Chance etwa für Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer, der im vergangenen Jahr reichlich an Ruf einbüßen musste, nachdem von seinem Vorzimmer aus ein Betrugs- und Unterschlagungsskandal mittlerer Größe ausgegangen war. Auch Stadtdirektor Ullrich Sierau, der, wo immer er Gelegenheit findet, sich um Unternehmensansiedlung kümmert und Ansiedlungswilligen Steuervorteile nach rumänischer Art gewährte, wie jüngst auf einer Bezierksveranstaltung publik wurde, könnte sich starkmachen für den Youngster Point. Bisher halten sich beide zurück.
Wenn das mal nicht in einer verpassten Chance mündet, gar in einem kommunalpolitischen Fehler. Bisher jedenfalls werden die unteren Reihen vorgeschickt. Bezirksbürgermeister Manfred Renno will sich diesen Donnerstag mit Vertretern von Jugend- und Ordnungsamt zusammensetzen, um am Freitag (8. Februar 2008, 19 Uhr, YP), wenn es zu einem Treffen mit den Eltern der von der Schließung betroffenen Jugendlichen kommt, veritable Aussagen verkünden zu können. Das erscheint notwendig, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Stadt Dortmund viel Geld ins kommunale Prestige, aber nicht annähernd ausreichend in Jugendfreizeitheime und dazugehöriges Personal steckt.
Nun aber könnte der Ruf leiden. Schon wird sich beeilt, dem Dilemma einstweilen lösungsfrei zu begegnen. Seit dieser Woche setzt das Jugendamt einen mit PC- und Musikanlage ausgestatteten Bus für die Kids ein. Omas Sofas finden darin kaum ausreichend Platz. Von entspannter Stimmung kann die Rede nicht sein. Inzwischen wurde bekannt, dass die Immobilie, in der sich Happy-FKK und YP befinden, unter Insolvenzverwaltung steht (RN vom 5.02.2008). Nun könnte es kompliziert werden.

Die Mädchen und Jungen vom YP wollen die Schließung nicht hinnehmen. Sie kämpfen fair, obwohl auf sie strukturell eingeprügelt wird, halten sich an die Prinzipien und Möglichkeiten einer demokratischen Gesellschaft abseits ökonomischer Interessen. Sie unterhalten eine Webseite, so wie es sich heute für jugendliche Netzwerker oder Interessengemeinschaften gehört. Sie – interpoliert – sind das Kapital einer jeden Gesellschaft, ganz gleich auf welcher Ebene. Hier ist es die kommunale. Sie leben in moderneren Zeiten als so mancher Bordellbesitzer oder Politiker, leben das, was ihnen von Lehrkörpern immer wieder eingebläut wird: Demokratie. Sie sollen schließlich mal aktive, souveräne Bürger werden, die Zukunft sein. Und dann wird ihnen eine Einrichtung geschlossen, die auch noch auf privater Initiative gründet. Politikverdrossenheit beginnt auf kommunaler Ebene.
Update (2008-03-11): Vor fünf Wochen war der Jugendtreff geschlossen worden. Eine über den Räumen des YP ein Etablissement betreibende Bordellbesitzerin hatte sich über die jungen Leute mit zweifelhaften Argumenten beschwert. Schließlich wurde der YP aufgrund von baupolizeilichen Mißständen geschlossen. Ein Etappensieg für den Puff. Es folgten Verhandlungen zwischen Elterninitiative, Jugendamt, Stadtrat und sonstigen Beteiligten, die – kaum zu glauben – nach vergleichsweise kurzer Zeit in ein fruchtbares Ergebnis mündeten. Sicherlich mögen dabei auch umfangreiche Presseberichterstattungen – vor allem der Dortmunder Ruhr Nachrichten – eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. Wie das größte lokale Blatt berichtete, hätten sich vor allem die Jüngeren zu Hause mächtig gelangweilt. So habe sich etwa der 11jährige Louis Wilhelm mit den Worten geäußert: „Fünf Wochen war ich mit meinen Freunden immer nur zu Hause. Da wurden wir ständig von unseren Eltern besichtigt.“

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