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Justizia
MEINUNGSFREIHEIT

Angriffe auf eine Säule der Demokratie

Unter Meinungsfreiheit fällt eine Reihe von Begriffen, die zu trennen oder zu verstehen ideologisch verbrämten Zeitgenossen nicht immer leicht fällt, allen voran: Teilen der Politkaste
Von INA RIEMANN |
Lesedauer ca. 5-6 Minuten |
23.01.2025

Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) kennt keine Häme, Hass, Sarkasmus, Kritik, Geschmacklosigkeit, Satire, Polemik, Verachtung, Ablehnung, Schadenfreude, … Für jeden hält die deutsche Sprache eine Definition bereit; einige, wie Beleidigung und Üble Nachrede, finden ihre Grenze im Strafrecht. Wer achtzehn Jahre und älter ist, die Unterschiede der Begriffe hingegen nicht kennt, nicht kennen will oder nicht zu differenzieren imstande ist und alles unter den emotionsbeladenen Termini Hass und Hetze verbucht, unterstreicht sein Defizit in der Anwendung des Deutschen.

Seit den rigorosen Maßnahmen der Covid-19-Epoche, der Blaupause zur Beschränkung von Freiheitsrechten, zum Beispiel der Freiheit von Kunst und Wissenschaft, steht die Meinungsfreiheit mehr unter Beschuss als dies in Westdeutschland seit 1949 je der Fall gewesen war. Erst jüngst fiel Kanzler Olaf Scholz auf dem Weltwirtschaftsforum (WWF/WEF) in Davos mit einem Angriff auf sie negativ auf. Vor versammelter Audienz des Schwab-Klubs tönte er klassenkämpferisch: „In Europa gilt die Rede- und Meinungsfreiheit. Und in Deutschland kann jeder sagen, was er will – sogar, wenn er ein Milliardär ist. Was wir allerdings nicht akzeptieren, ist, wenn dadurch extrem rechte Positionen unterstützt werden.“ Artikel 5 GG kennt keine Einteilung der Meinung in links oder rechts, auch nicht extrem oder gar in Parteifarben. Es ist kaum zu glauben und schwer zu ertragen, dass der Bundeskanzler das vergessen haben könnte. Immerhin ist er Jurist und zählt damit zu einem Berufsstand, der als detailbeflissen sowie wenig vergesslich gilt.

Vor Scholz hatte sich von seinem noch verliebenen grünen Koalitionspartner schon dessen Kanzlerkandidat Robert Habeck mit seinen Äußerungen zu Elon Musks Plattform X angemaßt, die Meinungsfreiheit anzugreifen, indem er die „unregulierte Form dieser sozialen Medien“ als „nicht mehr akzeptabel“ einstufte. Die Algorhythmen seien transparenter zu machen sowie „schärfer und konsequenter zu regulieren“, damit nicht „der Raum der Demokratie unmöglich gemacht“ werde. Wer wiederholt proklamiert, die Demokratie zu verteidigen zu wollen oder sich regelmäßig auf sie bezieht, doch das Gegenteil verfolgt, ist mitnichten ein Demokrat. Habeck („Ein Mensch. Ein Wort.“) reiht sich ein bei Demokratieverstehern wie der Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckert (Grüne), dem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes, Wolfgang Haldenwang (CDU), der Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Kulturministerin Claudia Roth (Grüne), die ebenfalls mit Freiheitsrechten auf Kriegsfuß stehen oder sie fehlinterpretieren.

Während Göring-Eckardt nicht nur „neue Menschen“ und offene Grenzen begrüßt, sondern auch Kritikern der Corona-Maßnahmen anheimstellt, sich zu „fragen, ob sie Ängste und Sorgen ihrer Mitmenschen vor dem Unbekannten zu sehr ignoriert hatten“, haben sich Paus und Faeser für eine kreative Variante gegen die Meinungsfreiheit ausgesprochen: „Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass Hass im Netz auch unter der Strafbarkeitsgrenze vorkommt. Viele Feinde der Demokratie wissen ganz genau, was auf den Social-Media-Plattformen gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt. Wir als Bundesregierung werden da, wo nötig, Gesetze überprüfen und bei Bedarf auch nachjustieren“, so Paus. Was also von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, soll nach Empfinden dennoch geahndet werden können. Cancel Culture reicht demzufolge nicht mehr aus, Kritiker zu desavouieren oder kaltzustellen. Und dass Faeser mit dieser Variante Art 5 GG genauso wie die §§ 184 und 185 des Strafgesetzbuches (StGB) zu unterlaufen sucht, dabei indirekt die ohnehin bereits ins Gerede gekommene Judikative ermuntern könnte, nachsichtig zu sein, ist einer Juristin unwürdig, beschädigt ihren Berufsstand und zeigt ihre Ideologiegetriebenheit.

Diese zeigt sich auch in den während der Ampel-Koalition eingerichteten Meldestellen gegen Hass, Hetze und Fake News im Netz. Die institutionalisierten Pranger, viele bei den Landesregierungen angesiedelt und von öffentlichem Geld finanziert oder mitfinanziert, werden unter dem Begriff Trusted Flagger zusammengefasst. Damit wird gut 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus und 35 Jahre nach dem Kollaps des DDR-Regimes hierzulande wieder das Denunziantentum gefördert. Hinzu kommen die zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Regierungssender und deren Landesrundfunkanstalten sowie deren in etlichen Großstädten vertretenden Lokalsender. Allein in Nordrhein-Westfalen ist der Westdeutsche Rundfunk (WDR) an 16 Standorten vertreten.¹ Dazu kommen noch Regionalkorrespondenten an sechs ländlichen Standorten.

Von Mitte der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre war die Einschränkung der Meinungsfreiheit schon einmal ein wichtiges Thema. Damals hatte der Düsseldorfer Künstler – heute würden ihn viele wohl als Aktivisten bezeichnen – Manfred Spies in mehreren deutschen Städten, mit Schwerpunkt in Düsseldorf, Plakatwände angemietet, sie plakatiert und etwa den Rotfunk (WDR), das Konsumverhalten sowie einen übergriffigen Staat angeprangert (Kanzler damals: Helmut Schmidt, SPD) sowie daraufhin den Foto-Doku-Band Denk-Anschläge herausgebracht, in dem er auch Anfeindungen und Schriftverkehr mit Behörden, Verbänden und Unternehmen veröffentlichte. Sein Anliegen um Unterstützung wurde meist abgelehnt. Die marktbeherrschenden Plakatwändevermieter versagten ihm schließlich die Anmietung, doch bis dahin hatte er bereits mit seinem Künstlerkollegen Hagen Drasdo umfangreich plakatiert und Aufsehen erregt.

In mehr als 50 Prozent von 180 Staaten war 2024 laut der Organisation Reporter ohne Grenzen die Presse- und Meinungsfreiheit stark eingeschränkt oder existierte nicht, sofern sie sich gegen politische Akteure, Strukturen oder Maßnahmen richtete. Die meisten dieser Länder sind autokratisch, diktatorisch, kommunistisch oder sozialistisch beherrscht, also von einer klandestinen Gruppe, deren Macht hierarchisch bis auf die kommunale Ebene, sogar bis in Dorfgemeinschaften reicht. Deutschland befand sich auf Platz 10. Noch.

¹ Studios: Köln (Zentrale), Aachen, Bielefeld, Bonn, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Münster, Siegen, Wuppertal.    Büros: Arnsberg, Detmold, Kleve, Paderborn, Rheine

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