Mehrere tödliche Unfälle auf dem Segelschulschiff Gorch Fock und eine im Raum stehende Meuterei haben das Aushängeschild der Bundesmarine in Verruf gebracht. Es könnte die letzte Fahrt der Gorch Fock werden, wenn Kapitän zur See Michael Brühn, Vorgänger und Nachfolger des soeben des Kommandos enthobenen Norbert Schatz, die seit 1958 über die Weltmeere schippernde Bark am 4. Februar übernimmt und sie zurück in ihren Heimathafen Kiel navigiert.
Sechs Seeleute sollen seit Indienststellung auf dem Schulungsschiff tödlich verunglückt sein, vier davon seit 1998. Unter Brühns Kommando stürzte 2002 ein 19jähriger Soldat vom Mast. Unter Schatz verlor 2008 die 18jährige Offiziersanwärterin Jenny Böken ihr Leben, indem sie – wie es heißt – auf Deck ausgerutscht sei und bei Norderney in die Nordsee stürzte. Ebenfalls unter Schatz stürzte am 7. November 2010 im brasilianischen Hafen Salvador da Bahía die 25jährige Offiziersanwärterin Sarah Seele „beim Niederentern“ aus der Takelage und verletzte sich tödlich. Seele war erst wenige Tage zuvor an Bord gekommen.
Doch nicht dieser Vorfall bewog das Oberkommando der Marine nun, Schatz nach Hause zu beordern, sondern die angebliche Dienstverweigerung von mehreren Kadetten und deren Vorwürfe gegen den offenbar übereifrigen Kapitän. Diesen hatte Verteidigungsminister zu Guttenberg noch bis vor wenigen Stunden gestützt. Auch die Bordkameradschaft, ein Verein ehemaliger Stammbesatzung der Gorch Fock, bekannte sich zu Schatz. Auf deren Webseite hieß es um 0:15 Uhr (22.01.2010) in einer „E-Mail an den Kommandanten“ verehrend vom Schriftführer Hermann Dirkes: „Sie wissen, Herr Kapitän Schatz, das (sic!) die gesamte Bordkameradschaft hinter Ihnen und der Besatzung steht (…).“ Als reichte dieses Lob nicht bereits, legt Dirkes noch eins drauf, indem er den ehemaligen GF-Kommandanten Immo von Schnurbein hinsichtlich Schatzes Nachname zitiert: „Nomen est omen.“
Inzwischen hat sich der Wind, der bereits zu Guttenberg ins Gesicht bläst, auch für Schatz überraschend gedreht. Die E-Mail hat Dirkes gegen 0:30 Uhr entfernt und durch einen Bericht ersetzt (GEOWIS verfügt über ein PDF des Textes). Doch es ist genau diese Art von Kadavergehorsam, der Befehlsempfänger ins Verderben stürzen kann. Dem haben sich einige angebliche Meuterer widersetzt und es könnte für Schatzes Karriere ausgehen wie für Captain Bligh von der Bounty, der seine Mannschaft so lange getrietzt hatte, bis sie ihn am 28. April 1789 in eine Barkasse setzte. Ob Schatz noch einmal ein Schiffskommando erhält, dürfte fraglich sein. Wozu im 21. Jahrhundert überhaupt noch auf einem Dreimaster geschult wird und auf Masten und Takelage aufgeentert werden muss, ist wohl nur für Traditionalisten, Korpsgeistanhänger und Shanty-Liebhaber nachvollziehbar. Die Bark sollte abgetakelt und ins Museum verbracht werden.
Update: Karl-Theodor zu Guttenberg trat heute, am 1. März 2011, von allen Ämtern zurück.

GEOWIS