Die Zurückweisung ist deutlich. Die an der sino-indischen Grenze stationierten chinesischen Militärs hielten sich an das bilaterale Abkommen. Man sei darauf ausgerichtet, „Frieden und Ruhe zu sichern und zu bewahren“, äußerte ein Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums, Yang Yujun, gestern gegenüber China Daily. Grund für die Aussage Yang Yujuns sind Berichte indischer Medien, denen zufolge chinesische Grenztruppen indisches Territorium betreten oder überflogen hätten. China und Indien, die zusammengenommen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung stellen und in Asien die beiden bevölkerungsreichsten Nationen sind, streiten schon seit 1914 über ihren Grenzverlauf zueinander, den die Briten mitzuverantworten haben. Sie erklärten die so genannte McMahon-Linie als Grenze, die von China nie anerkannt wurde.
Wie die Times of India berichtet, seien chinesische Truppen bereits am 16. April 19 Kilometer in die jammu-kaschmirische Region Ladakh eingerückt und hätten Zelte errichtet. Der aktuelle Disput resultiert aus dem Indisch-Chinesischen Krieg, der von Oktober bis November 1962 dauerte, und aus der Überlassung eines Teils von Kaschmir durch Pakistan im Jahr 1963. Insgesamt geht es um strittige Gebiete von zirka 42700 qkm¹, die zwischen dem östlichen Karakoram-Gebirge auf indischer Seite und dem Kunlun-Gebirge sowie dem Tibetischen Plateau im innerchinesischen Grenzgebiet der beiden – formal autonomen – Provinzen Xinjiang und Tibet (Xizang) liegen, wobei die Region Aksai Qin den größten Anteil stellt.

Erschwerend kommt hinzu, dass sie sich ethnisch gegenseitig nicht mögen und sich nicht über den Weg trauen. Aus chinesischer Sicht missfällt, dass Indien sowohl kultureller als auch ökonomischer Hegemon im Indik ist, dazu geographisch wie geologisch nennenswerte Gebietsansprüche in der Himalaya-Region stellt. Auch das indische Kastensystem stößt Beijing spätestens auf, seit man in China auf Reformkurs ist und die Niederlassungsfreiheit gesetzlich installiert hat.
Dennoch bestehen milliardenschwere Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Staaten, die China laut Sun Shihai, Experte für Indische Studien an der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, zu der Einschätzung gelangen lassen, dass „eine Konfrontation beiderseits nicht willkommen“ sei. Angesichts des jüngsten Grenzstreits ist der indische Außenminister Salman Khurshid, der am 9. Mai in Beijing erwartet wird, bemüht, die Wogen zu glätten. Er denke, dass es „im gegenseitigen Interesse“ sei, „im Dialog zu bleiben und die Errungenschaften der vergangenen Jahre nicht zu zerstören.“ Man könne nicht erwarten, dass eine Lösung des Konflikts übernacht erzielt werde, sagte Dong Manyuan vom Chinesischen Institut für Internationale Studien. In den umstrittenen Regionen gibt es reichlich Bodenschätze, etwa Erdgas, Öl, Nickel, Blei, Mangan.
¹ Zum Vergleich: Die Schweiz weist eine Fläche von 41285 qkm auf; Nordrhein-Westfalen 34088 qkm

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