Chinas Hauptstadt und die in seiner unmittelbaren Nähe liegende Mega- und Hafenstadt Tianjin sind im Begriff, sich weiterhin zu vernetzten. Mit der zum 1. Juli dieses Jahres freigegebenen Hochgeschwindigkeitsstrecke Beijing-Tianjin rücken nicht nur die beiden Metroploen logistisch näher aneinander, sondern auch zwei Provinzen, die insgesamt etwa 24 Millionen Einwohner haben. Beijing-Tianjin entspricht ungefähr der Entfernung Dortmund-Bonn und hinsichtlich ihrer addierten Flächen knapp der des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Einwohnerzahl beider Provinzen liegt hingegen um 25 Prozent über der Nordrhein-Westfalens. Schon lange besteht reger Güterverkehr zwischen beiden Provinzen, vor allem deren Metropolen, der wesentlich durch Verkehr auf Schiene und Straße betrieben wird. Tianjin ist Beijings wichtigster Hafen.

Nun ist auch im Personentransport auf der Schiene eine schnellere Verbindung geschaffen worden, die vor allem für Geschäftsreisende interessant ist. Betrug die Fahrzeit mit den bisher eingesetzten Zügen zwischen Beijing und Tianjin zwei Stunden, reduziert sie sich mit dem Beijing-Tianjin-Express auf die Hälfte. Dies ist weniger als die Zeit, die man zusammengenommen von den Zentren der beiden Metropolen zu deren Flughäfen an Fahrzeit benötigt. Da in Beijing und um Beijing herum in vielerlei Hinsicht schon lange nicht mehr viel geht, insbesondere im Bereich Industrieansiedlung, ist Tianjin in den vergangenen Jahren zu einer der wichtigsten Zulieferer-Metropolen für Chinas Hauptstadt herangereift.
Längst haben dies auch ausländische Investoren erkannt. So prosperiert die Stadt am Ostchinesischen Meer vor allem dadurch, dass Enge und Luftverschmutzung in Beijing vorherrschend sind. Was sich in massiven Investitionen internationaler Unternehmen niederschlägt, die in Tianjin nicht nur notwendige Großschuppen im Hafengelände besitzen, sondern auch in großem Stil in Produktionsanlagen investieren. So nimmt das Deutsch-Französische Airbuskonsortium in Tianjin binnen weniger Jahre über sieben Milliarden Euro in die Hand, um ein Fertigungswerk für den A300 und A320 in der Binhai Development Zone zu etablieren. Ab dem Jahr 2016 sollen in Tianjin die gefragten Flieger für den chinesischen Markt produziert werden.

In der chinesischen ökonomischen Planungshierarchie steht Tianjin gerade an vorderster Stelle. Motto: OTC – Over the counter-planning, was soviel heißt wie über dem Durchschnitt. Ein Prinzip, das China während der vergangenen Jahre – wenn auch unter anderen Bezeichnungen – stets erfolgreich verfolgt und realisiert hatte. Doch nun stellen sich Sättigungsgrade und Kapazitätsgrenzen in manchen Metropolen ein, beispielsweise Shenzhen, Guangzhou, Shanghai. Diese als Sonderwirtschaftzonen ausgewiesenen Megastädte stoßen an ihre Grenzen in so ziemlich jeder Hinsicht und können Beijing nur noch unter enormem Aufwand zuliefern. Tianjin hat es da – noch – besser. Aus der Perspektive Beijings ist sie die wichtigste Metropole Chinas. Neben der Hauptstadt, versteht sich.

GEOWIS