„Unkonventionell und frech sang er sich mit dem Lied vom Haschisch im Schokoladenei bei einigen Radio-Matadoren auf die schwarze Liste“, schrieb die Tageszeitung Pyrmonter Nachrichten am 18. Oktober 1979 nach Danzers Auftritt in Hannover am Abend zuvor. Damals war er mit seiner Band im deutschsprachigen Raum unterwegs und füllte die Hallen. Der begnadete Texter und Komponist, der auch noch ordentlich Gitarre spielte, war spätestens seit seinem Lied Jö schau (1975) in seiner Heimat bereits ein Star und lebte das intensive Leben eines äuβerst kreativen Rockmusikers. Auf Jö schau folgten Alben, die ihm auch in Deutschland viel Beachtung und eine groβe Fangemeinde verschafften. Binnen vier Jahren brachte er sieben LPs auf den Markt (Unter die Haut; Des kann do no ned ollas gwesn sein (1977); Ein wenig Hoffnung; Narrenhaus; Liederbuch (1978); Feine Leute; Notausgang (1979).
Berüchtigt war der Kettenraucher seit seinem skandalträchtigen Song Tschik (1972), in dem er stimmlich einen Obdachlosen mimt. Auszug: „Herst in der Matrozzn, da woan scho die Rozzn am, des riach i genau.“ Bevor er aufbrach, die Hallen zu füllen, war das Album Der Tschik schon lange Kultgegenstand geworden. Als er im Herbst 1979 seine erste groβe Deutschlandtournee antrat, bot er seiner Fangemeinde Erstaunliches und Ungewöhnliches. Neben sanften Balladen und gleichsam sarkastischen, frechen und drastischen Kurzerzählungen fielen vor allem die rockmusikalischen Arrangements auf. Der Wiener Kurier schrieb am 22. Oktober 1979: „Georg Danzer (…) wirkt auf die Deutschen wie Frühlingssonne auf Schneemänner. Sie tauen auf, schmelzen dahin. Verwandeln sich aus verstockten, erstarrten Gestalten in lächelnde, lockere, kindlich tobende Leutchen mit Humor und Begeisterung.“ Am Abend zuvor hatte Danzer mit seiner Band (Michael Gechter, E-Gitarre; Earl Bostic, Bass; Olav Gustafsson, Drums; Eberhard Wieland, Piano und Syntheziser; Frank Lüdecke, Saxo, Flöte) die Hamburger Konzerthalle im Griff. Das aus der Tournee entstandene Live-Doppelalbum (1980) markierte einen musikalischen Höhepunkt, ist es doch perfekt arrangiert und balanciert, aus dem die vierte Seite mit der über 14 Minuten langen Version von Hey Baby – ein wenig Liebe herausragt und sowohl Michael Gechter an der Gitarre im Stile eines Jimi Hendrix glänzen lässt, als auch Frank Lüdecke mit dem Saxophon, mit dem er in jedem Chicagoer Blues- oder Jazzklub willkommen gewesen wäre. Alle durften bei diesem Stück ihr enormes Können unter Beweis stellen.
Nun hätte man annehmen können, dass das Album nicht mehr getoppt werden könne und sicherlich nahmen es einige an. Manche mochten es sich gar gewünscht haben, wie vielleicht Michael Linkersdörfer, der am 3. November 1979 in der Saarbrücker Zeitung¹ einen Artikel unter der Überschrift „Ein Wiener ohne Schmäh“ verfasste, der mit Polemik beginnt. Zitat: „Wiener Charme zu versprühen, will Georg Danzer einfach nicht gelingen. Zu allem Überfluβ singt er so, daβ man ihm eigentlich einen guten Hals-Nasen-Ohren-Arzt empfehlen möchte: damit er ihm endlich die Polypen entfernt.“ Korrekt müsste es Hals-Nase-Ohren-Arzt heißen. Gegen Ende des Artikels versucht sich Linkersdörfer etwas verkrampft um journalistische Ausgewogenheit. Doch Georg Danzer war nicht angetreten, um etwa Wiener Schmäh zu versprühen. Den besaβ er zwar und lieβ ihn gelegentlich aufblitzen, doch in erster Linie war er ein kritischer Texter, Erzähler, Poet, Komponist und Musiker, der aus dem Repertoire seiner Erfahrungen schöpfte.
1981, zu einer Zeit, in der die Staatsmacht noch immer hart gegen Demonstranten in Deutschland vorging, erschien Danzers Album Ruhe vor dem Sturm. Auch wenn danach noch viele Alben folgen sollten (insgesamt 30), erscheint dieses als sein persönlichstes. Im Lied Schule singt er: „Warum is der Unterricht so fad, warum is die Jelinek so blad.“ Klar wird, dass ihm sein eigener Schulbesuch nicht die gröβte Herzensangelegenheit gewesen zu sein schien. Kaum unklar bleibt, dass er einen Seitenhieb auf die österreichische Exzentrikerin Elfriede Jelinek platziert. Im Lied Griechenland bringt er Autobiographisches, das nach Sehnsucht klingt: „(…) Was kümmert mi der Montag, wann euer Wecker läut? Was kümmert mi der Dienstag, wann euer Lehrer schreit? Am Mittwoch siecht mi Belgrad, am Donnerstag Athen, und alle Leut san leiwand, obwohl i niemand kenn (…).“ Ruhe vor dem Sturm wird zu einem der erfolgreichsten Alben der deutschsprachigen Rockgeschichte. Bringt Danzer das Titellied noch mit Lyrics zum Barbarismus des Mittel- und Spätmittelalters als Metapher, um zu verdeutlichen, dass sich in der Struktur des Herrschens und Beherrschtwerdens bis in die Gegenwart wenig verändert hat – „(…) es riacht nach Pech und Schwefel. Die Weiber in der Kammer, die packt der groβe Jammer. Der Tischler schwingt sein‘ Hammer. Der Tod geht um, die Felder liegn voll Leichen, die Scheiterhaufen brennen, es regnet Blut und Tränen (…)“ -, so verzichtet er bei Frieden auf Bildsprache.
Georg Danzer, der von konservativen und pseudoliberalen Medien harsch rangenommen worden war, lamentierte nicht. Er war auch kein Meister feingesponnener Sätze wie sie etwa Klaus Hoffmann oder Stephan Sulke vorzutragen vermochten. Seine Empfindungen und Botschaften brachte er nonchalant, frech und frivol, oft verpackt in Balladen, doch so manchen Text auch untermalt mit sattem Rock. In Frieden hebt er rockig an: “ Ned nur i hab so a Angst, ned nur i hab so an Haβ auf Euch. Die ihr uns regiert’s, tyrannisiert’s, in Kriege führt’s, wir san nur Dreck für euch (…)“. Der ‚Tschik‘, wie er in Österreich genannt wird, traf die Seele der deutschen Friedensbewegung, ohne den Zeigefinger zu erheben. Er nahm keine Rücksicht darauf, ob sich jemand an einigen seiner deftigen Pointierungen oder an seiner linksorientierten Haltung störte. Ohne politisches Dogma, hingegen mit einer klaren Sicht auf die allgegenwärtigen Verhältnisse, ging er ins Studio und auf die Bühne, um seine Umwelt zu reflektieren. Beinahe bis zum Schluss. Vielleicht hatte er 1981 mit seinem fatalistischen Text zum Lied Traum alles auf den Punkt gebracht: „(…) Heute Nacht, da hat ma dramt, mir san alle auf an groβen Schiff, und des Schiff, des hat a Loch (…).“

Ein Liedermacher war Georg Danzer nicht. Gegen diese Bezeichnung hat er sich gewehrt, wie die FAZ vom 26. Oktober 1979 schreibt. Im selben Artikel wird Danzer zitiert: „Na, wenn das hier Leben ist, dann hat man uns ganz schön gelinkt, aber niemand ist zuständig, niemand hat Schuld, wir sind halt alle nur ein wenig krank.“
Der Titel ‚i leb solang i’s aushalt‘ entstammt dem Lied/Text ‚Griechenland‘
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