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Rupert Hine, 1970 | Pressefoto (Ausschnitt)
NACHRUF | RUPERT HINE | 1947 – 2020

Great Man Passed

Am 4. Juni 2020 verstarb das musikalische Mastermind und Multitalent Rupert Hine
Von UWE GOERLITZ |
Lesedauer ca. 6-7 Minuten |
07.06.2020

Rund fünfzig Jahre lang war Rupert Hine ein Begriff in der britischen Musikbranche und kollaborierte früh mit späteren Größen. So 1965 mit Jimmy Page, der auf Hines erster Single mitspielte, einem Cover von The Sound Of Silence des damals noch unbekannten Paul Simon, mit dem er zu jener Zeit ebenfalls auf der Bühne gestanden hatte. Mit Hilfe von Deep-Purple-Bassist Roger Glover veröffentlichten Hine und sein Freund David McIver, der die Lyrics schrieb, 1971 ihr erstes Album Pick Up A Bone, auf dem Deep-Purple-Label Purple Records. Glover hatte es produziert und zudem das Tambourine gespielt. Auch sein 1997 an einem Hirntumor verstorbener Freund und Kollege Simon Jeffes, der 1973 das Penguin Cafe Orchestra (PCO) ins Leben gerufen hatte, war damals mit von der Partie, indem er Akustik-, E- und Slide-Gitarre spielte sowie die Saxophone-Arrangements übernahm.

Für das zweite Album, Unfinished Picture (1973), dessen Lyrics erneut David McIver verfasste und das neben den harmonischen Folk-Balladen Landscape und Me, You, Fine auch Artrock-Stücke enthält, habe Roger Glover leider nicht mehr zur Verfügung gestanden, da er sich „gerade auf Japan-Tour mit Deep Purple“ befand, wie Hine in einem Interview mit dem Blog Kickin’ it Oldschool im Oktober 2012 konstatierte. Hine produzierte es selbst und erhielt dabei Unterstützung von den Toningenieuren Steve Nye, John Punter und John Middleton.

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Mitte der 1970er Jahre formierte Hine mit Trevor Morais (Drums), Caravan-Bassist John G. Perry, der auch die Fotos schoss, und Mark Warner (Gitarre) das intellektuell ausgerichtete Musikprojekt Quantum Jump und produzierte dessen drei Alben Quantum Jump, Barracuda, Mixing. Steve Nye war als Toningenieur ebenfalls dabei. Nach Auflösung des Projekts avancierte das als Single ausgekoppelte Stück The Lone Ranger auf der Insel zu einem Hit. Ein weiterer Quantensprung gelang ihm mit seinem 1981 veröffentlichten Album Immunity, dessen Auskopplung I Hang On To My Vertigo auf der Insel ein Hit wurde. Zu einem Zeitpunkt, während dem von der britischen Insel vorwiegend Rock, Hardrock, Progressive Rock, Punk und jede Menge Popmusik produziert worden war, setzte er sich erfolgreich ab, befasste sich mit Kunst und produzierte andere Künstler.

Hines Credo waren Klanggemälde („painting pictures with sound“), wie er in dem Interview 2012 sagte. Er erschuf sie, etwa indem er eine Trilogie komponierte. Das Album Immunity (1981) war ihr erster Teil, produziert von seinem Freund James W. Taylor, dem Waving Not Drowning (1982) und The Wildest Wish To Fly (1983) folgten. I Hang On To My Vertigo vom Album Immunity wurde auf der Insel ein Charterfolg. Die 2015 verstorbene Dichterin, Grafikerin und Videokünstlerin Jeannette-Thèrèse Obstöj, die schon die Lyrics für das Stück No American Starship des ersten Quantum-Jump-Albums geschrieben hatte, verfasste sämtliche Lyrics der Trilogie, während die Kompositionen von Hine stammen. Das Mastermind war weitsichtig, wie der Song Picture Phone auf dem Album The Wildest Wish To Fly unter Beweis stellt. Hine hatte nichts dafür übrig und wird wohl das Jahrzehnte später aufgekommene Skype mit Schaudern betrachtet haben.

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Es folgte eine Hochzeit an Produktionen für andere Künstler, darunter Tina Turner, für die er drei Alben mischte und sie mit Private Dancer an Top-Positionen brachte. Auch Howard Jones verdankt ihm zwei Alben sowie den Hit What Is Love? Er arbeitete mit Stevie Nicks ebenso zusammen wie mit den Thompson Twins, Bob Geldof und Chris de Burgh. Hits für seine eigene Interpretation zu produzieren, war hingegen weniger seine Motivation. Ihn interessierte das Un- und Außergewöhnliche an Künstlern und Musik. Das fand er in Cy Curnin (Gesang), Jamie West-Oram (Gitarre), Adam Woods (Drums), Rupert Greenall (Keybords) und Dan K. Brown, besser bekannt als die Band The Fixx, deren ersten vier Alben (Shuttered Room, Reach The Beat, Phantoms und Walkabout) er sich annahm. Er habe sich „als sechstes Mitglied der Band“ empfunden, äußerte er 2012. Wieder kamen Leute zum Einsatz, mit denen er gerne zusammenarbeitete. So Stephen W. Taylor als Toningenieur, Jeannette-Thérèse Obstöj mit Lyrics z.B. zu Woman On A Train (Phantoms), Less Cities More Moving People (Reach The Beach) und Secret Separation (Walkabout). Mit Cy Curnin und Jamie West-Oram war er bis zuletzt in Freundschaft verbunden.

Als hätte er nicht bereits genug zu tun gehabt, war er sein nächstes Projekt angegangen. Mit Andy Paris, Joe MacArthur und Leo Hurll gründete er die Band Thinkman. Es enstanden drei Alben (The Formula, 1986; Life Is A Fulltime Occupation, 1988; Hard Hat Zone, 1990), die von Stephen W. Taylor koproduziert wurden. Hine vertraute abermals seiner kongenialen Partnerin Jeannette-Thérèse Obstöj, die erneut zu sämtlichen Stücken der drei Alben die Lyrics schrieb. Auch auf die Gitarrenkünste von Jamie West-Oram wollte er nicht verzichten. Lisa Dalbello ließ es sich nicht nehmen, ihre kräftige Stimme für das Titelstück von The Formula zur Verfügung zu stellen und für die des Englischen nicht so mächtigen deutschsprachigen Thinkman-Fans wurde Hard Hat Zone zu den auf der Innenhülle abgedruckten englischen Lyrics ein deutsches Textblatt beigelegt.

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Neben dem klassischen Instrumentarium und den zum Nachdenken anregenden Texten setzte Hine früh und stets Synthesizer und Effektgeräte ein, die auch in der Thinkman-Trilogie deutlich zum Einsatz kommen und Songs wie Watchman, Walkman, Thinkman, The Days Of The Champion, The Ecstasy Of Free Thought und There Shines Our Promised Land tragen. 1990 initiierte er gemeinsam mit Kevin Godley das Weltmusikalbum One World One Voice, um auf die globalen Umweltprobleme hinzuweisen. Später, 2008, setzte er sich mit Songs For Tibet: The Art Of Peace für die flächengroße, aber dünnbesiedelte autonome Region innerhalb Chinas ein, dem zum 80. Geburtstag des Dalai Lamas 2015 auf Anregung der Art of Peace Foundation Songs For Tibet II unter Mitwirkung zahlreicher Kollegen folgte. Auch für ein besseres Rechte-Management zugunsten der Künstler verwendete er sich.

Mit 63 erhielt er eine Bypass-Operation, ein Jahr später eine Krebsdiagnose. Dennoch machte der unbestrittene Genius weiter, indem er sich vor allem um die Rechte der Künstler an ihren Werken kümmerte.

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