Jemand wie der britische Musiker und Produzent Brian Eno sollte es in den 1980er Jahren schwer gehabt haben, könnte man meinen. Umgeben von Punk, New Wave, NDW, Pop und aufstrebendem Techno erscheint es in Nachbetrachtung fast schon unglaublich, dass ihm all das nichts anhaben konnte. Auf Enos Konto geht eine Fülle an Band-Projekten und Produktionen, die heute als zeitlos gelten. Berühmt wurde er als Mitglied der extraordinären britischen Band Roxy Music, mit der er deren beide ersten Alben Roxy Music (1972) und For Your Pleasure (1973) einspielte, auf denen abgedrehte und psychoaktive Songs wie Ladytron, The Bob, If There Is Something, Do The Strand, In Every Dreamhome A Heartache und The Bogus Man verewigt sind, die noch heute in die Köpfe von Liebhabern anspruchsvoller Musik dringen können.

Legendär ist Enos Zusammenarbeit und Wirken mit dem kongenialen Robert Fripp, Kopf von King Crimson und später League Of Gentlemen, Porcupine Tree und vielen anderen Projekten. Auf Enos Soloprojekten Here Come The Warm Jets, No Pussyfooting und Taking Tiger Mountain (by Strategy) – alle von 1974 – lässt sich das nachhören. Beide Köpfe wurden schon früh als Musikprofessoren bezeichnet. Legendär ist auch Enos Zusammenarbeit mit dem von seinem Ziggy-Stardust-Image sich emanzipierenden und zwischenzeitlich auf Soul und Funk umgestiegenen und in West-Berlin dann geradezu untergetauchten David Bowie. Drei Alben machte Eno mit dem damals als androgyn und magersüchtig wirkenden Bowie: Low, Heroes und Lodger (alle 1977). 1978 begann Enos Zusammenarbeit mit den Talking Heads, indem er auf deren Album More Things About Buildings And Food zunächst als Zusatzmusiker Percussion, Piano, Synthis und Gitarre spielte und als Koproduzent wirkte. Mit David Byrne, Kopf der Talking Heads, ging er knapp zwei Jahre später ins Studio, um eines seiner bis heute bestverkauften Alben einzuspielen: My Life In The Bush Of Ghosts.¹ Mehr als zehn zusätzliche Musiker wurden für das Album rekrutiert, darunter die Schlagzeuger John Cocksey und Chris Frantz. Letzterer ist ein alter Geselle Enos. Zum Einsatz kamen auch die Conga-Spieler Steve Scales und José Rossy und die Bassisten Bill Laswell, Tim Wright und Busta Jones. Das Ergebnis war ein Konzeptalbum, für das Töne und Klänge angeschlagen wurden, die zur damaligen Zeit auf Insel und Kontinent in der Breite ungewöhnlich waren. Obwohl der Begriff Weltmusik noch nicht Schule gemacht hatte, lässt sich das Album mühelos dahingehend verstehen, zumal vielfach Stimmen und Klänge arabischer Musiker zum Einsatz kommen, so von der Libanesin Dunya Yusin, der Ägypterin Samira Tewfik sowie Koranpredigten algerischer Muslime. Gewissermaßen als Gegengewicht kommt ein Versatzstück von Reverend Paul Morton aus New Orleans im Stück Regiment vor.
Galt Brian Eno in den 1970ern bereits seit seiner Zeit bei Roxy Music als Intellektualist in der britischen und darüber hinausgehenden Musikszene, unterstrich er diese Einschätzung und Reputation auch in den frühen 1980ern. Dass er ab 1984 die Alben von U2 produziert hat, kann durchaus unter dem Rubrum Jetzt- mach-ich-mal-richtig-Geld abgelegt werden. Es ist ja jederzeit legitim, einmal mal richtig Geld machen zu wollen. Vor allem, wenn man sich damit künstlerische Freiheit verschaffen kann. My Life In The Bush Of Ghosts ist nicht zuletzt Ausdruck dessen. Viele Bands rennen ihm seit über 30 Jahren die Türen ein. Einigen hat er zu Weltruhm verholfen. Etwa Coldplay. Er zählt längst zu den wichtigsten Produzenten Großbritanniens.
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