Es sei ihm eine Herzensangelegenheit gewesen, einen Verlag zu gründen, sagte Joachim von Mengershausen im Februar 1979 nach seiner Ankunft zur bevorstehenden 29. Berlinale in West-Berlin, zu der er mit langer Mähne und in einem aus gefüttertem Schweinsfell steckenden Mantel mit seinem roten Volvo Amazon von Köln angereist war. Noch im Januar 1979 war er auf Kuba gewesen, das er als „alles andere als eine Aufmunterung“ empfand.

Joachim von Mengershausen, Jahrgang 1936, war damals im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks unterwegs, bei dem er bis zu seiner Pensionierung lange Jahre als Dramaturg und Produzent arbeitete, und auf der Berlinale, um den von ihm betreuten Film David (R.: Peter Lilienthal) vor Publikum zu sehen. Lilienthals David wurde als bester Film mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Einer seiner möglicherweise größten Wettbewerber auf die Auszeichnung, Michael Ciminos Anti-Kriegsepos Die durch die Hölle gehen, lief lediglich außer Konkurrenz, nachdem die sozialistischen Länder unter Führung der UdSSR protestiert hatten und argumentierten, der Film beleidige durch seine einseitigen Gewaltszenen das vietnamesische Volk. Sie zogen sich aus dem Wettbewerb zurück. Auch Cimino, der sich von der Festivalleitung gegen die Angriffe auf seinen Film nicht ausreichend in Schutz genommen sah, reiste ab. Eine andere Produktion, die von Mengershausen begleitet hatte, Kalte Heimat von Werner Schaefer und Peter Steinbach, sollte ebenfalls auf der Berlinale 1979 gezeigt werden, schaffte es aber nicht rechtzeitig und wurde ein Jahr später im Fernsehen gezeigt.
Für von Mengershausen standen häufig Sozialdramen und Autorenfilme im Zentrum seines Schaffens, weshalb Autorenfilmer sich gerne an ihn wendeten, wenn es um die Produktion ging. So hat er Stunde Null (1976, R.: Edgar Reitz), Aus der Ferne sehe ich dieses Land (1974, R.: Christian Ziewer, Drehbuch: Antonio Scármato) und die Wim-Wenders-Filme Alice in den Städten (1974) und Der amerikanische Freund (1977) produziert. Zu seinen Vorlieben gehörte schon damals das Schreiben von Prosa, zu dem er sich in meist exotische Länder für Wochen mit einer mechanischen Reiseschreibmaschine zurückzog und – etwa auf Sri Lanka – mit hoher Luftfeuchtigkeit haderte, die ihm das Schreiben erschwerte, weil „die Typenhebel Löcher statt Buchstaben“ ins Papier brachten, wie er (dem Verf.) einst schrieb.

1978 gründete Joachim von Mengershausen aus seiner damaligen Kölner Wohnung heraus den Verlag Köln 78, dessen erstes verlegtes Buch – Den Atem anhalten – er selbst verfasst hatte. Den Atem anhalten umfasst 64 Seiten und erschien als Hardcover. Es ist eine Erzählung mit ausgesprochen autobiographischem Hintergrund, eine Liebesgeschichte mit melancholischem Libretto und einem fast ein wenig hilflosen Schrei nach draußen, wunderbar geschrieben, dazu begleitet mit Schraffurzeichnungen von Thomas Hornemann.
Kurz danach benannte von Mengershausen den Kleinverlag in Verlag Köln 78 um und veröffentlichte im Laufe des Jahres 1979 zwei Bücher. Als Autor brachte er Die Spur des Feuers tilgen heraus – mit Zeichnungen von Hendrik de Wit -, als Verleger den Bildband Für den Tschad von Marie-Laure de Decker (Fotos) und Ornella Tondini (Text) in – laut bibliographischer Angabe – einer „deutschen, erweiterten Ausgabe“. Die Spur des Feuers tilgen ist eine Erzählung (rough-cut) auf 80 Seiten, die ebenfalls autobiographische Züge aufweist. Wie Den Atem anhalten ist auch dieses Buch eine Liebesgeschichte, vielleicht ein wenig zarter, auch kontroverser, keinesfalls jedoch unbedeutender. Der Autor schält sich gewissermaßen als Zwiebel. Und das macht er hervorragend und in hoher literarischer Qualität.
Das letzte Prosawerk des Verlags und des Autors Joachim von Mengershausen, Das Töten überleben, erschienen 1981 als rough-cut mit transparentem Schutzumschlag und 146 Seiten stark, erneut angereichert mit Zeichnungen von Hendrik de Wit, bleibt auf der Ebene des Autobiographischen. Es drückt abermals die innere Zerrissenheit des Autors aus, die in summa die Konflikte zwischen und mit den Geschlechtern erkennen lässt. Zumindest zu jener Zeit hat von Mengershausen, der lange mit Beatrice Bondy, der Schwester von Theater-Regisseur Luc Bondy, die Wohnung teilte, diese geschlechtlichen Interdependenzen gewissermaßen in allernächsten Feldstudien kennengelernt.

Auch wenn von Mengershausen, der eine Facebook-Seite unterhält, es womöglich nie so sagen würde, war sein Tun und Schaffen schon damals, als er gerade die 40 überschritten hatte, von Idealismus geprägt, der nicht lediglich, sondern auch der Zeit geschuldet war. In den späten 1970er Jahren galt es immer noch, Position zu beziehen. Und zwar anders als es die 1968er zu tun vermochten. Zwar waren deren Themen noch nicht ad acta gelegt, aber manche gerieten aufgrund von überbordender Gewalt in Misskredit. Es ist ein Verdienst von von Mengershausen, dass so manche Doku und eine Reihe von deutschen Filmen mit politischem Anspruch den Weg zum Publikum fanden. Darunter auch ein Werk, das außerhalb deutscher Themen angesiedelt ist.
Mit dem Bildband Für den Tschad, ein Projekt, das von Mengershausen viel Geld gekostet hatte, reüssierte der Verlag Köln 78 mit einem Werk, das nicht aus der Feder des Verlagsgründers stammte. Betrachtet man es heute, erscheint es einem als eine der wichtigsten Dokumentationen, die je über den damaligen Bürgerkrieg im Tschad in den deutschen Buchhandel kamen. Ein weiteres bedeutsames Buch verlegte der Verlag 1984 mit Liebe zum Kino – Utopien und Gedanken zum Autorenfilm 1962-1983, das aus der Feder von Edgar Reitz stammt und zu jener Zeit als wichtigstes Werk zum Genre galt und noch heute von Studenten der Film- und Theaterwissenschaften zur Pflichtlektüre gezählt werden muss.
Anhand dieser fünf Bücher lässt sich kein Verlagsprogramm erkennen. Was sich unter Einbeziehung der Inhalte dieser in kleinen Auflagen erschienenen, heute teils kostbaren Werke und Kleinode herauslesen lässt, ist purer Idealismus und Leidenschaft vor allem des Verlegers. In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren waren diese Eigenschaften in Verbindung mit Klein- und Selbstverlagen ein durchaus weitverbreitetes Phänomen. Allerdings eher im damaligen, oft als Frontstadt bezeichneten West-Berlin, weniger hingegen in Köln oder in anderen Städten der Bundesrepublik. Mitte der 1980er Jahre stellte der durch und durch der Cinematographie verhaftete Autor, Verleger und Produzent sein verlegerisches Engagement ein. Branchenkenner wissen, dass der Brotberuf auf der einen Seite in Verbindung mit künstlerischem Ausleben auf der anderen eine 100-Stunden-Woche geradezu als Grundbedingung erfordert. Selbstausbeutung sozusagen. Ein Begriff, den es in der Prä-Internet-Epoche noch nicht gab.
Von Mengershausen produzierte weiter beachtenswerte Filme und Sendungen, vorwiegend im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks. So Höhenfeuer (1985, Regie: Fredi M. Murer), Der Himmel über Berlin (1987, R.: Wim Wenders), Auf Wiedersehen Amerika (1994, R.: Jan Schütte), Unter Bauern (2009, R.: Ludi Boeken) und zuletzt Eine Herzenssache – Marga Spiegel und ihre Retter (2010, R.: Petra Seeger), um nur einige zu nennen. Er gehörte stets zu jenen stillen Profis, die unprätentiös im Hintergrund wirken. Zu jenen auch, die Filme und Dokumentationen auf eine Weise begleiten, dass ihnen Nachhaltigkeitscharakter bescheinigt werden kann. Cinematographische Kostbarkeiten inbegriffen. Joachim von Mengershausens bisheriges Schaffen unterlag nie und schon gar nicht zwanghaft der Kommerzialität, wenngleich viele der von ihm produzierten Filme auch wirtschaftlich erfolgreich waren. Seine Prämisse ist die Qualität, ein Begriff, der fast nur noch im deutschen Maschinenbau Hochachtung genießt.
Jochim von Mengershausen verstarb am 22. Januar 2020.

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