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REZENSION | Journalismus – Was man wissen und können muss

Gundsatzfibel

Es gibt eine Reihe von How-to-Handbüchern zum Journalismus. Das von Henning Noske vorgelegte zählt zu den bislang besten
Von SIMONE TEN BRECK |
Lesedauer ca. 5-6 Minuten |
03.02.2013

Eigentlich sollte ein Journalist kein Handbuch benötigen. Schließlich hat er ein Studium, oft ein Volontariat, nicht selten noch ein Zusatz- oder Aufbaustudium hinter sich oder ist aufgrund hervorragender Schreibe, akribischer Recherche- und Analysefähigkeiten auf Umwegen in diesen Berufsstand gelangt. Es ist wie mit dem negativ behafteten Füllwort eigentlich, ein Adverb, und wie in anderen Branchen. Nach dem Studium und dem Volontariat kommt man, wenn man Glück hat, richtig in den Job und steht dann unter Zeit- und Kostendruck. Unter sukzessiv zunehmend schrumpfenden Budgets für die Recherche zu guten Geschichten – richtig ins Inland gehende und Auslandskorrespondenten können sich nur noch wenige überregional erscheinende Blätter, Nachrichtenagenturen und im Markt etablierte TV-Sender leisten -, leidet nach allgemeiner Auffassung die Qualität.

Ob der quer durch den deutschen Blätterwald und deren Online-Ableger oder reinen Online-News- und Magazinseiten festzustellende und häufig kritisierte Mangel an journalistischer Qualität tatsächlich an den fortschreitenden Rationalisierungen in den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen liegt oder ob auch handwerkliches Missgeschick dazu beiträgt, ist nicht leicht zu eruieren und zu evaluieren. Den Anspruch, diesen allzu oft zu besichtigenden Mangel aufzulösen, hat Noske nicht. Es führte zu weit. Vielmehr widmet sich der Autor dem in den vergangenen Jahren in Deutschlands Medienlandschaft und den Berufsstand des Journalismus angehenden Grundsätzlichen.

Hauptthema ist das Handwerkliche in allen Facetten. Laut Noske zählt neben der Recherche, der Quellensicherung und -angabe, der Auswertung des recherchierten oder zur Verfügung gestellten Materials unbegingt die Sattelfestigkeit in Satzbau und Rechtschreibung dazu. Was der Leser einer Zeitung oder eines Magazins grundsätzlich an dem ihm Dargebotenen voraussetzt, ist in Zeiten des Internets und der Abschaffung oder Einsparung von Korrektoren und Lektoraten nicht mehr für ihn verlässlich, zumal seit der Rechtschreibreform. Selbst in angesehenen Blättern hat sich bei Reportern und Redakteuren noch nicht flächendeckend herumgesprochen, dass Verben mit der Vorsilbe „zurück“ nach wie vor zusammengeschrieben (nicht: zusammen geschrieben) werden. Im Zweifel schreiben viele Journalisten lieber alles auseinander. Zu rück geblieben klingt dann schon mal befremdlich – und zurückgeblieben.

Grammatik und Rechtschreibung finden bei Noske ausreichende Würdigung. Der Autor spricht zudem ein Thema an, das mindestens ebenso wichtig ist: Fehler-Management. Sein Ansatz ist, dass jeder (Journalist) Fehler macht, sei es bei der Recherche, der Bewertung von Quellen, der Grammatik oder Rechtschreibung, der Fragestellung bei Interviews oder der Einschätzung der Rolle von Journalisten im gesellschaftlichen Miteinander. Wichtig ist Noske, der als Wissenschaftsredakteur und Leiter der Stadtredaktion bei der Braunschweiger Zeitung arbeitet, zudem einen Lehrauftrag für Print-Journalismus an der TU Braunschweig hat, dass Journalisten ihre Fehler reflektieren. In Zeiten von Social Networks erscheint das geradezu als Muss und bildet eine Abgrenzung zu dem, was in Leserbriefen mitunter mit der deutschen Sprache veranstaltet wird oder in der artikelbezogenen (Un-)Sachlichkeit zum Vorschein kommt.

Noskes Handbuch zum Journalismus bietet aber noch viel mehr. So wirft der Autor bereits zu Beginn – und im Verlauf des Buches – die Frage auf, weshalb man sich Journalismus als Beruf antun wolle und fragt rhetorisch: „Warum soll ich mich mit etwas beschäftigen, das mich nicht mehr loslässt, rund um die Uhr in Beschlag nimmt, das mich mehr fordert als ich vielleicht verkraften kann? (…)“. So angreifbar diese Fragen auf den ersten Blick erscheinen mögen – ein Bäckergeselle könnte sich ja auch fragen, weshalb er in aller Herrgottsfrühe am Teig stehen und jeden Tag die besten Brötchen zu backen imstande sein soll -, so wichtig sind sie. Für die Berufsauffassung im Allgemeinen, für Journalisten im Speziellen. Der Beruf des Journalisten erfordert laut Noske neben dem Handwerklichen viel Idealismus und Enthusiasmus. Wie andere Berufe auch. Er steht aber dadurch, dass er im Prinzip als Bezeichnung nicht geschützt ist, es sein denn, man ist Diplom-Journalist, vielen Quereinsteigern offen, die das Handwerk nicht immer verstehen oder beherrschen, es zumindest nicht selten vernachlässigen. Im Bäckerhandwerk geht das nicht, und in der Betriebswirtschaft gilt: wer nicht rechnen kann, ist raus. Im Journalismus gilt: wer Grammatik, Orthographie, Recherche und Quellenangabe nicht beherrscht, kann trotzdem drinbleiben. Mitunter gilt, je nach Medium: Hauptsache er/sie sieht gut aus und kann gut reden.

Man stelle sich vor, ein Gas-Wasser-Heizungsinstallateur ginge so liederlich in seinem Job vor wie das bei Journalisten mitunter der Fall ist. Dann kann es mächtig bersten. Wer auf Qualität in seiner Schreibe setzt, sollte auf Füllwörter wie „eigentlich“ und das Udo-van-Kampen-Füll-Unwort „eben“ verzichten, sollte Quellen sicher recheriert und bewertet haben. Aber auch eine eigene Meinung an den Tag legen. Auch dafür plädiert Noske. Die eigene Meinung unterscheidet den Journalisten von roboterartigen Pressemeldungen. Das Buch ist insofern eine hilfreiche, dazu lesenswerte Fibel für alle, die den Journalismus als Berufsziel haben. Sämtliche wesentliche Inhalte und Fragestellungen zum Berufsbild und -verständnis hat der Autor aufgeführt und angesprochen, analysiert und soweit möglich auch beantwortet. Es ist nicht nur ein Buch für Anfänger. Auch gestandenen Journalisten kann es ins Gewissen rufen, worum es in diesem Beruf geht. Eines ist nach der Lektüre auch klar: Noske liebt seinen Beruf.

Henning Noske: Journalismus – Was man wissen und können muss. Ein Lese- und Lernbuch. Paperback, 234 S., ISBN 978-3-8375-0585-6. Klartext Verlag, Essen, 2012

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