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Google-Arbeitsplatz in Mountain View | Pressefoto
NETZMACHT GOOGLE

Außen bunt, innen monochrom

Google muss an vielen Fronten kämpfen. Vom einstigen Slogan "Don't be evil" hat sich das Unternehmen mit seiner Renitenz und Dreistigkeit gegenüber Klägern längst verabschiedet
Von SIMONE TEN BRECK |
Lesedauer ca. 5-6 Minuten |
28.09.2012

Oracle-Chef Larry Ellison, 68, musste jüngst eine Niederlage einstecken. Der Chef des größten Konkurrenten der deutschen Software-Schmiede SAP und laut Forbes sechstreichste Mann der Welt (2012: 36 Mrd. Dollar) hatte Google wegen Urheberrechtsverletzungen an der objektbezogenen Programmiersprache Java verklagt. Google habe für sein Android-Betriebssystem unerlaubt Java-Codes als Software-Applikationen eingesetzt. Das Gericht beschloss, dass Software-Applikationen nicht durch den US-Copyright Act geschützt seien, sofern sie für die Interoperabilität im Fall von Googles Android-Betriebssystem notwendig würden.

Auch im Streit mit der Authors Guild of America, die tausende Autoren vertritt, erzielte Google kürzlich einen Erfolg. Hierbei geht es um das Milliardengeschäft von Google Books, das darauf basiert, kostenlos bzw. für einen geringen Obulus Bücher zu digitalisieren und so die weltgrößte Netzbibliothek aufzubauen. Der Streit schwelt seit 2001 und beinhaltet die Frage, ob die Autorengewerkschaft überhaupt klageberechtigt sei oder ob jeder Autor einzeln gegen Google vor Gericht ziehen müsse. Google vertritt letztere Rechtsauffassung und darf laut eines Beschlusses vom vorvergangenen Montag gegen eine frühere Entscheidung zu Gunsten der Authors Guild vorgehen. In einem Streit um Persönlichkeitsrechte, vergleichbar mit dem von Bettina Wulff, Gattin des Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff, obsiegte Google im Juni 2012 durch den obersten Gerichtshof Brasiliens. Geklagt hatte die Schauspielerin Xuxa Meneghal. Sie wollte erreichen, dass Google ihren Namen nicht mit pornographischen Bildern, Videos und Links indexiert. Erstinstanzlich hatte ein Gericht in Rio de Janeiro ihr Recht zugesprochen und Google zur Zahlung von 3500 Dollar für jeden Verstoß verurteilt.

In solchen Fällen argumentiert der Internet-Riese stets gleich, indem er vorbringt, lediglich die Eingaben der Suchmaschinennutzer automatisiert zu aggregieren. Der Nutzer stehe gemäß Google-Credo an erster Stelle und Demokratie funktioniere im Internet. Ethik offenbar nicht. Denn selbstverständlich ist Google jederzeit in der Lage, ohne großes Bohei außergerichtlich die Anliegen von sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlenden Personen mit ein paar Tastatureingaben zu achten. Es fehlt dem Unternehmen lediglich am Willen. So erfolgreich ist Google nicht immer. Im Gegenteil: die Mountain-Viewer, die weltweit inzwischen zu den größten Auftraggebern für Anwaltskanzleien zählen, stehen international vor einem sich verändernden Klima. Ein dicker Brocken ist die Berufungsklagezulassung des Sprach-Software-Herstellers Rosetta Stone, der Google Urheberrechts- und Markenverletzung vorwirft.

2009 hatte Rosetta Stone Klage eingereicht, 2010 wurde sie abgewiesen, im September 2011 wurde über die Zulassung zur Berufung (Appellation) verhandelt, im April 2012 erfolgte der Zulassungsbeschluss. Die Berufungsklage, ginge sie zu Gunsten von Rosetta Stone aus, zielt auf das wesentliche Geschäftsmodell Googles ab: AdWords. Im Kern geht es um den Verkauf von Schlüsselbegriffen (Keywords) an Marken-Trittbrettfahrer und Hersteller von geklonter Software (copycat software companies), die Google per AdWords an prominenter Stelle listet. Der Ausgang dieses Verfahrens hat weitreichende Bedeutung. Gewännen Rosetta Stone und seine mehr als 30 Mitkläger, darunter Ford Motor Company, Viacom, Chanel Inc., National Football League (NFL), hätten die Überflieger aus Mountain View mehr als nur ein paar Tastatureingaben vorzunehmen. Google müsste AdWords völlig neu strukturieren und Copycat-Unternehmen hinten anstellen. Im globalen Maßstab kostete es das Unternehmen richtig viel Geld. Lars Reppesgaard, ehemals Google-Mitarbeiter und Autor des Buches Das Google-Imperium, schreibt, es scheine, als habe „selbst die Magie von Google ein Verfallsdatum – trotz der legendären Verpflegung, der 20-Prozent-Projektzeit, der Shuttle-Busse, der spannenden Tech Talks, trotz des lustigen Dinosauriermodells und des Volleyballfeldes im Innenhof Googleplexes.“

Google-Arbeitsplätze in Südkorea | Pressefoto

Die „Googler“, wie er die mit vielerlei Annehmlichkeiten bedachten Arbeitsparzellen, die bunten Kinderzimmern ähneln, ausgestatteten profilierten Angestellten des Konzerns nennt, erfahren die Wirklichkeit. Jene Sphäre, in der Recht und Gesetz gelten. Für die stets fröhlich wirkenden Nerds ist das geradezu das Ende aller Illusionen, zumal dann, wenn Bürger, die auch im Offline-Leben verortet sind, sich gegen das Unternehmen auflehnen. Wie im Fall jener Kalifornier aus Marin County, die dagegen klagen, dass Google unerlaubt – persönlichkeitsbezogene – Werbung in ihre E-Mails einpflegt, obwohl sie als Absender nicht Google Mail (gmail) verwenden, sondern lediglich ihr Adressat.

Weitaus finanzkräftigere Klagegegner hat Google in Viacom und Apple. Viacom streitet erfolgreich gegen Urheberrechtsverletzungen der Google-Tochter Youtube; Apple gegen Patentverletzungen im Smartphone- und Tablet-Bereich. Im Juni 2012 fand eine Anhörung Apples dazu statt. Dabei ging es um die von Google genutzte Motorola Mobility Software, die Patentrechte Apples verletze. Zu diesem Thema hat vor wenigen Tagen auch das Landgericht München I im Sinne von Apples Klagevorbringen Recht gesprochen. Neuerdings befasst sich auch die EU-Kommission mit der Allmacht Googles und drängt auf eine Änderung des Such- bzw. Aggregationsalgorhythmusses, der bislang Google-eigene Firmen und Copycat-Unternehmen in der Listung von Suchergebnissen bevorzuge. Ob die Eurokraten rechtlich auf sicherem Boden stehen, ist dabei nicht ausgemacht. Ihnen haftet der Ruch an, lediglich ihre Kassen auffüllen zu wollen. Auch kommt es darauf an, wie erfolgreich Googles Brüsseler PR-Lobbyist sein wird.

Googler in Dublin | Pressefoto

Klar aber ist, dass Google eine Internet-Macht ist, die inzwischen eine gefährliche Dominanz erreicht hat. Google bestimmt darüber, was prominent an Suchergebnissen gelistet wird, ohne auf die inhaltliche Qualität der gelisteten Seiten Rücksicht zu nehmen. Der Konzern bestimmt über seine willkürlich festgelegte Verlinkungsmathematik darüber, was der Nutzer an Ergebnissen zu seiner Suchanfrage angeboten bekommt, wohlwissend, dass Nutzer selten mehr als hundert gelistete Ergebnisse durchforsten. Mancherorts greifen die Behörden mitunter rigoros durch. So wurde am 26.09.2012 der brasilianische Statthalter Googles verhaftet, weil er sich geweigert hatte, ein Schmähvideo gegen einen Politiker im Wahlkampf zu sperren, obwohl ein Gerichtsbeschluss hierzu vorliegt. Die Botschaft ist klar und diffundiert in die Welt: Wenn sich Google aufgrund seines Quasi-Monopols unter den Suchmaschinenbetreibern weiterhin so unfreundlich geriert, greifen die Gesetzgeber durch. Auch ohne Klageantrag.

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