Nachdem The Substance vor einem Jahr auf dem Filmfest in Locarno Weltpremiere hatte, trat der Film eine bemerkenswerte und immer noch andauernde Reise um den Globus an. In San Francisco lief er auf dem Berlin & Beyond Film Festival und bekam einen Preis; in Paris (International Science Film Festival Pariscience) ebenso. In Moskau (Contemporary Science Film Festival) wurde er mit dem Special Jury Award ausgezeichnet. Auch in Irland (The Galway Film Fleadh), Mexiko (Monterrey International Film Festival), Buenos Aires (Festival Internacional de Cine Independiente), Rumänien (Cluj; Festival International de Film Transilvania), Australien (Sydney Underground Film Festival; Brisbane International Film Festival), Los Angeles (Goethe Institut), Oslo (European Documentary Film Festival), Vancouver (DOXA 2012) und auf weiteren wurde The Substance präsentiert.

Nur wenige Dokumentarfilme schafften es bisher auf derart viele Festivals, etwa Al Gores Eine unbequeme Wahrheit (2006) oder Marie-Monique Robins Monsanto, mit Gift und Genen (2008). Doch über die Festivals hinaus kam (und kommt) der Film auch in die Kinos. So in den skandinavischen Ländern, in der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, USA, Spanien, Australien und so fort. Es scheint, als diffundierte der Film wie einst die halluzinogene Droge LSD (Lysergsäurediethlyamid), die von Albert Hofmann im Frühjahr 1943 beim Experimentieren mit Mutterkorn auf der Suche nach einem Kreislaufmittel entdeckt worden war. Zweifelsohne hat die Substanz bei vielen, die sie probiert haben – inklusive ihres Entdeckers -, den Kreislauf angeregt.

In The Substance kommt Hofmann, der sein Berufsleben dem Basler Chemiekonzern Sandoz (gehört seit 1996 zu Novartis) gewidmet und sich bis zu seinem Tod (2008) sachlich für die Nutzungsmöglichkeiten von LSD insbesondere in der Forschung und nicht-militärischer Anwendung eingesetzt hatte, ausführlich zu Wort. LSD, von manchen Protagonisten als göttliche Droge verstanden, sei sein „Sorgenkind“ gewesen, wie er es auch in seinem 1979 erstmals veröffentlichten Buch¹ zum Ausdruck gebracht hatte.
Zu den Protagonisten gehörten neben Konsumenten aus der Subkultur- und Musikszene auch etablierte Wissenschaftler und Autoren. Zum Beispiel Timothy Leary (1920-96; Politics of Ecstasy, 1965), Aldous Huxley (1894-1963; Brave New World, 1932), Allen Ginsberg (1926-97; Allen Verbatim, 1975) Ralph Metzner (*1936; Opening To Inner Light, 1986), Richard Fariña (1937-66; Been Down So Long It Looks Like Up To Me, 1971). Kritische Betrachtungen kamen etwa von Jay Stevens (Storming Heaven – LSD And The American Dream, 1987), Sidney Cohen (1910-87; The Drug Dilemma, 1969), Samuel Chavkin (1913-94; The Mind Stealers); verständnisvolle von Stanislav Grof (*1931; Realms Of The Human Unconscious, 1975), Martin Lee (*1938; Acid Dreams. The Complete Social History of LSD: The CIA, the Sixties, and Beyond, 1986)².

Martin Witz hat vielfach Filmarchive gesichtet und in The Substance außerordentlich interessante, teils bislang – zumindest im deutschen Sprachraum – unbekannte Bilder und Aussagen von Interviewten eingefügt. Die Rolle von Geheimdiensten und Militär wird beleuchtet, ebenso die Verbreitung des Stoffs, der viele zum Träumen anregte oder an die Grenzen ihres Verstandes brachte.
¹ LSD – Mein Sorgenkind. Klett-Cotta, Stuttgart, 1979.
² gemeinsam mit Bruce Shlain. Erstausgabe: 1986 (ohne Vorwort von Andrei Codrescu und ohne Nachwort von Lee/Shlain). Vor- und Nachwort sind erst in der Ausgabe von 1992 enthalten
Nächste Vorstellung: 17.11.2012, 17 Uhr, 23. Kinofest Lünen in der Cineworld

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