Sie waren jung, attraktiv, hatten Stimme und konnten tanzen. Die drei niederländischen Geschwister Alexandrina ‚Sandra‘ (1910-87), Judith (1913-2007) und Katharina ‚Kitty‘ Leschan (1919-65) sorgten als Trio Lescano im faschistischen Italien unter Benito Mussolini (Il Duce) ab 1935 für musikalische Furore. Gewissermaßen als erste Girl Group verzückten sie ihre Zuhörer live und am Radio mit Swing im Close-Harmony-Stil und machten dabei noch gute Figur gepaart mit erotischer Ausstrahlung. Bis zur Erscheinung der „Drei Grazien am Mikrophon“, wie sie auch genannt wurden, waren im Faschistenstaat Oper und Operette vorherrschend und wie in den Metropolen Deutschlands, Frankreichs und Spaniens, das Varieté und die Burlesque. Mit dem Trio Lescano kam Frische unter dem Mussolini-Muff Italiens auf. Der Duce hielt mit seinen Faschisten das Land bereits seit 13 Jahren unter der Knute.
Zaccaro erzählt die Geschichte der drei Schwestern – und ihrer Mutter -, die einer Artistenfamilie entstammten. Die Mutter, gespielt von der vor wenigen Wochen im Alter von 60 Jahren verstorbenen Sylvia Kristel (Emanuelle), war eine niederländische Operettensängerin, der Vater ein ungarischer Zirkusartist, der seine Frau mit den drei Töchtern sitzen ließ.

Während sich Sandra (gespielt von Andrea Osvárt) und Judith (Lotte Verbeek) in Turin nach Arbeit umschauen und als Küchenhilfe und Garderobefrau im feinen Restaurant Lagrange unterkommen, in dem lokale Prominenz, darunter Aufnahmeleiter vom Radio, der Plattenfirma Cestra und örtliche Mini-Duces verkehren, verbleibt die Mutter mit Kitty (Elise Schaap) in Holland. Sandra und Judith wollen ins Varieté. Sie tanzen beim abgehalfterten Ensemble-Chef Gennaro Fiore vor und werden engagiert. Freudig schreiben sie ihrer Mutter, die mit Kitty zum ersten Auftritt der beiden bis dahin nur tanzenden und die Röcke hebenden Schwestern anreist – und entsetzt ist. Das hauptsächlich aus Männern bestehende Publikum will sich die als Aufmunterung gedachten schlechten Kalauer von Fiori nicht antun und gröhlt: „Wir wollen Titten sehen.“ Die werden zwar nicht ausgiebig gezeigt, aber die Beine und die Monsterschlüpfer von vorn und hinten. Für Fiore kommt es bei den beiden nicht mehr nur aufs Tanzen an. Er hat ihre Stimmen erkannt. Es fügt sich, dass während eines After-Show-Empfangs auch Kitty mit von der Partie sein soll.
Fiore engagiert die Schwestern und nimmt die strenge Mutter mit ins Boot. Doch Fiore ist ein Tingler, der sein Ensemble in einem maroden Bus durch die Varietés der Provinz führt, verschuldet ist und keine großen Gagen zahlen kann. Da kommt ihm der gewiefte Künstleragent Canapone (Guiseppe Battiston) gerade recht. Er hat Kontakte zu Plattenfirmen und Radio, sorgt dafür, dass die Schwestern vorsingen dürfen und schließlich aufgenommen werden. Fiore wird außen vor gelassen und macht resigniert mit seinem drittklassigen Programm ohne das Trio weiter. Von da an geht es rapide bergauf mit dem Trio. Die Schwestern touren Italien, machen Plattenaufnahmen und scheffeln viel Geld, das ihr Agent Canapone verwaltet und in einem Bankschließfach hortet. Die Männer liegen den drei Grazien zu Füßen, darunter der Offizier Parisi (Sergio Assisi), der Sandra vergöttert. Die beiden haben eine wilde Affäre. Als sie merkt, dass er sie für den Faschismus einspannen will, verlässt sie ihn und wendet sich dem Studio- und Konzertmusiker Guiseppe Funaro (Alessandro Bertolucci) zu, den sie inständig liebt.
Kitty, die Jüngste, verknallt sich in den im Lagrange angestellten Kellner Carlo (Marco Imparato), der davon träumt, Ingenieur zu werden. Agent Canapone insistiert getreu der Prämisse, wie es denn aussähe, wenn sich eine so berühmte Künstlerin mit einem Kellner abgäbe. Er macht Marco ein Angebot, als Stewart auf einem italienischen Luxusschiff anzuheuern. Kitty erfährt davon nichts. Judith hat den verklemmten Stalker Piero (Federico Tolardi) aus der anfänglichen Wohnungsnachbarschaft zum Verehrer, den sie nicht so recht mag, weil er ihr infantil und unheimlich vorkommt. Dennoch lässt sie sich auf einen Ausflug mit ihm ein und entgeht nur knapp einer Vergewaltigung.

Die Dinge ändern sich kolossal, nachdem Hitler am 3. September 1939 Polen überfallen hat. Frankreich und Großbritannien erklären Deutschland den Krieg und Mussolini folgt Hitler. Des Duces Schergen beginnen, jüdische Italiener zusammenzutreiben, zu inhaftieren und zu deportieren. Darunter auch Freunde der drei im Volk und unter Parteifunktionären höchst angesehenen Schwestern. Ihre Mutter flieht mit Fiore aufs Land. Im Turiner Faschistenchef Ferrante (Maurizio Marchetti), einem glühenden, dem Alkohol zugeneigten Verehrer des Trios – und des Faschismus‘ überdrüssig -, finden die drei Grazien, die von einem tumben Polizisten als Jüdinnen klassifiziert werden, einen Schutzpatron. An dessen Seite steht sein Neffe und Adjudant Piero, der die Schmach der Zurückweisung seiner Angebeteten, Judith, nicht verarbeitet hat und auf Rache sinnt.
Ähnliches hat auch der abgelegte Lover von Sandra – Offizier Parisi- im Sinn. Er lässt Sandras Liebe Funaro verhaften und zum Abtransport in ein Konzentrationslager in einen Lastwagen verfrachten. Um ihren Geliebten freizubekommen, muss Sandra sich demütigen lassen und sich Parisi ein letztes Mal hingeben. Danach kommt dennoch alles anders. Die Schwestern werden inhaftiert und unter der Regie eines deutschen Nazi-Offiziers einzeln verhört. Ihnen wird vorgeworfen, in ihren Liedern kodierte Nachrichten für den Feind verbreitet zu haben. Der abstruse Vorwurf ist nicht haltbar. Die drei werden aus ihrer Haft entlassen. Es kommt zur Familienzusammenführung, wobei Kitty von ihrer Liebe Carlo, dem Kellner, in Empfang genommen wird. Sandra und Judith werden von ihrer Mutter und Fiore in die Arme geschlossen. Einzig ihr Agent Canapone fehlt. Der hatte das Vermögen des Trios längst in die Schweiz transferiert. Als die Allierten in Italien landen und die – großenteils sozialdemokratisch und kommunistisch orientierten – Kräfte und Milizen Jagd auf die Faschisten machen, begeht der Turiner Nazi-Chef Selbstmord, Parisi wird erschossen und Piero schlüpft in eine neue Uniform.

Der Film zeigt, wie niederträchtig Menschen, in diesem Fall Männer, sein können, wenn sie nicht das bekommen, was sie begehren. Er zeigt auch, wie feige Männer sein können, wenn sie als Männer geforfert werden. Und er zeigt, wie rasant sich gesittete gesellschaftliche Verhältnisse ins Chaos manipulieren lassen. Maurizio Zaccaro hat mit Le Ragazze dello Swing einen herausragenden Film gemacht, schon deshalb, weil er die Rollen mit Schauspielern besetzt hat, die ihr Handwerk verstehen. Allen voran Giovanni Ferreri, in Italien als etablierter Charakterdarsteller und als Komiker bekannt. Dann Maurizio Marchetti, ein Urgeistein des italienischen Films, der bravourös den Turiner Gauleiter verkörpert. Bis in die letzte Nebenrolle hat Zaccaro herausragend besetzt.
Größtes Lob gebührt dem Regisseur auch dafür, dass er für die Verkörperung der Lescano-Schwestern so vielseitige, überzeugende und teils preisgekrönte Schauspielerinnen verpflichten konnte. Die Ungarin Andrea Osvárt (Sandra), die hauptsächlich als Model ihr Geld verdient und vor Swingmädchen in kleinen Rollen (Spy Game) auftrat; die in Venlo geborene Lotte Verbeek (Judith), ausgezeichnert mit dem silbernen Leoparden des Filmfestivals von Locarno, ausgebildete Schauspielerin, Tänzerin und Sängerin, die in den Niederlanden und Belgien zur ersten Riege zählt; und die wesentlich im Theater beheimatete Elise Schaap (Kitty). Einmal mehr muss man den (noch) als Spartensender eingeschätzten Sender Arte dafür loben, dass er cineastische Sahnestücke zeigt. Gegenwärtig ist der Film nur in der Originalausgabe erhältlich.

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