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Fatu Hiva (Titel-Ausschnitt)
AUSGEGRABEN | Thor Heyerdahl

Fatu Hiva

In seinem 1974 erschienenen Buch beschreibt Thor Heyerdahl seinen Enthusiasmus vom Zurück zur Natur und die Schattenseiten des Paradieses
Von UWE GOERLITZ |
Lesedauer ca. 3 Minuten |
09.05.2025

1936 entscheidet sich das norwegische Paar Thor Heyerdahl (1914-2002), der in Oslo Studien in Zoologie und Geographie absolviert hatte, und Liv Coucheron Torp (1916-1969), die gerade mit ihrem Ökonomiestudium, ebenfalls in Oslo, fertiggeworden war, ihre Hochzeitsreise nach den Marquesas-Inseln im Südpazifik zu unternehmen. Dort wollen sie die polynesische Kultur und Lebensweise und die Verbreitung von Spezies auf der Inselgruppe ergründen und ihren Traum von einem Zurück zur Natur verwirklichen. Ihr Ziel ist die kleine Insel Fatu Hiva. Am Tag nach der Hochzeit und mit universitärer Unterstützung machen sie sich per Schiff auf den Weg und erreichen 1937 ihr Paradies. Für beide steht schon vor Beginn der Reise fest, dass sie nicht mehr nach Norwegen zurückkehren wollen, wie Heyerdahl in diesem erst 1974 erschienenen Buch schreibt.

Er hatte alles gelesen, was ihm über die polynesische Inselwelt in der Universität von Oslo in die Hände kam, und mit Leuten gesprochen, die bereits dort gewesen waren. In den Marquesas sah er den perfekten Aussteigerort. Das Paar wird vom Inselkönig empfangen, knüpft Kontakte zu Einheimischen, erkundet die Insel und betreibt seine Forschungen. Sie entdecken neben endemischen auch eingeschleppte Arten, etwa Skorpione, sowie monolithische Skulpturen, die an olmekische und andere mesoamerikanische steinerne Hinterlassenschaften erinnern. In dem einstigen Kannibalen Tei Tetua finden sie einen kundigen Mann, der ihnen erläutert, was es mit dem Raubkatzenkult auf sich hat, der in etlichen Skulpturen verdeutlicht ist. Auch, woher die Ahnen der Insulaner stammen. Die Antwort „Aus dem Osten“ legte den Grundstein für Heyerdahls spätere Expeditionen, von denen eine ihn zehn Jahre später weltberühmt werden ließ, weil er mit seiner selbgebauten Kon-tiki von Peru aus nach den zu Französisch-Polynesien gehörenden Tuamotu-Inseln gesegelt war, um zu beweisen, dass Polynesien von Südamerika aus besiedelt wurde, was bis heute umstritten ist.

Sie versorgen sich durch Jagen und Fischen selbst, finden aber außer Kokospalmen nicht genug früchtetragende Pflanzen und leiden an Vitaminmangel. Die ganze Zeit über leben sie in einfachsten Verhältnissen, anfangs in einer Hütte, dann in einem Zelt, zum Schluss in einer Höhle. Viele Insulaner leiden an Infektionskrankheiten, gegen die die einheimischen Heiler keine Mittel finden. Besonders verbreitet ist das sichbare Körperelend Elephantiasis. Sie lernen die beiden Missionare der katholischen und protestantischen Kirche kennen, und die Spaltung der Insulaner in beide Lager. Schließlich erkennen sie, dass sie sich nicht im Paradies befinden, sondern in einem gefährlichen Terrain. Nach 15 Monaten verlassen sie 1938 die Marquesas.

Angereichert mit zahlreichen Schwarzweißfotografien, überzeugt das Buch durch Heyerdahls fesselnde wie detailreiche Beschreibung der kulturellen (Miss-)Verhältnisse auf Fatu Hiva, Schilderungen seiner und Livs Tagesabläufen, Begegnungen, Ängste. Enttäuscht vom vermeintlichen Paradies revidiert Heyerdahl seine Ausgangsthese, wonach ein in der „Zivilisation“ sozialisierter Mensch zur Natur zurückkehren könne, und kommt zu dem Schluss, dass dies nicht möglich sei.

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