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KRIMI | Lockruf der Nacht

„Es war kein Problem, Dorie Williams zu finden“

Der Liebeskind-Verlag hat sich mit den deutschen Rechten zu Edward Bunkers offenbarem Erstling einen Schatz der klassischen Kriminalroman-Literatur an Land gezogen
VON HUBERTUS MOLLN |
Lesedauer ca. 3-5 Minuten |
28.02.2009

Das Manuskript zum Roman Lockruf der Nacht, im Original Stark, 2007 erstmals im britischen Verlag No Exit Press verlegt, stamme aus dem Nachlass des Autors und sei sein Erstling, wie der Münchner Liebeskind-Verlag im Klappentext mitteilt. Liebeskind brachte die deutsche Fassung des Buches jüngst auf den Markt. Bunker gehört zweifelsohne zu jenen Autoren, die unter extrem ungünstigen Bedingungen unter die Romanciers gelangt waren. Aufgewachsen in Kinderheimen, hat er danach einige Jahre im von Johnny Cash besungenen Folsom Prison abgesessen und war eine Zeitlang auch jüngster Inhaftierter in San Quentin – wo Cash ebenfalls aufgetreten war. Es heißt, die besten Geschichten schreibe das Leben. Doch müsste es wohl heißen, dass die besten Geschichten von Autoren stammen, die erlebt haben, wovon sie schreiben und es in Fiktion zu verpacken in der Lage sind. Ernest Hemingway, Charles Bukowski, Mark Twain und viele andere Autoren der Weltliteratur taten es.

Er hat nach gegenwärtigen Maßstäben keine Weltliteratur verfasst, hatte aber seine Erfahrungen in seine Romane einfließen lassen und damit eine weltweite Leserschaft erreicht. Auch an Drehbüchern hat er mitgearbeitet, einige maßgeblich beeinflusst – dann, wenn sie seine Bücher als Grundlage hatten. Manche der Scripts, an denen er beteiligt war, wurden zu cineastischen Highlights oder gar Box-Office-Schlagern. Er arbeitete zum Beispiel am Drehbuch zu Straight Time (dt.: Wer Gewalt sät) mit, das auf seinem Roman No Beast so Fierce beruht und mit Dustin Hoffman in der männlichen Hauptrolle 1978 von Ulu Grosbard verfilmt wurde. Auch am Drehbuch zu Quentin Tarrantinos Reservoir Dogs hat er mitgearbeitet und im Film einen Auftritt gehabt, wie noch in vielen anderen. In Andrej Konsschalowskys Film Tango & Cash, in dem Sly Stallone, Kurt Russel, Teri Hatcher und Jack Palance brillieren. Zu Heat, in dem Al Pacino, Robert de Niro und Ashley Judd die Hauptrollen hatten, war er Technischer Berater.

Lockruf der Nacht ist ein Krimi, nichts weiter. Einer aus der alten Ära. Klar geschrieben, knappe Dialoge. Keine Dialogprosa wie sie etwa die Französin Fred Vargas oder die Schottin Val McDermid präferieren. Bunker wählt die flotte Sprache eines Mickey Spillane und pflegt das Robuste eines Raymond Chandler in den Roman ein. Für Aufgeblähtes ist kein Platz. Bunker muss wohl Pate gestanden haben für in den 1980er und 1990er Jahren in die Märkte gepressten ‚How-to-write-a-Crime-Story-Bücher‘, denn tatsächlich lehnen sich die besten Krimis an jenen Grundregeln an, wie sie auch Bunker beherrschte. Kostprobe aus Lockruf der Nacht: „Stark saß auf einem Stuhl, der zur Wand gekippt war, und hatte die Beine vor sich ausgestreckt als Dorie Williams die Tür für Momo öffnete.“

Es sind derartige Kapitel-Opener, die auf einen rasanten Ablauf der Geschichte hoffen lassen. Und Bunker beginnt in diesem Roman, der im Jahr 1962 in Oceanview, Kalifornien, angesiedelt ist, wo „das Wetter gut ist, die Mädchen hübsch sind, und die Einwohner der Stadt“ geradezu darum betteln, „ausgenommen zu werden“, so lapidar wie einnehmend: „Ernie Stark war bestimmt nicht der netteste Kerl unter der Sonne. Das konnten sogar seine Freunde bestätigen. Sofern er überhaupt welche hatte.“

Das ist Schreibe, das ist Literatur abseits der in den Feuilletons deutscher Mainstream-Blätter besprochenen Werke von Autoren, die genehm erscheinen. Bunker ist – schon mit diesem Roman – in Lettern gebrachtes Hirnkino auf knappste Weise. Es ist auch Anschauungsmaterial für deutsche Krimischreiber, insofern, dass die Kunst des Dialogschreibens nach Bunker auch heute noch funktioniert. Dass Bunker auch auf Deutsch Bunker ist, ist dem Übersetzer Jürgen Bürger zu verdanken.

Edward Bunker: Lockruf der Nacht. Hardcover, 222 S., ISBN 978-3-935890-61-8. Liebeskind, München, Februar 2009

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